Jetzt gilt auch in Bekleidungsgeschäften der Sicherheitsabstand von
anderthalb Meter. Die neuen Regeln des Lebens und Einkaufens mit dem
Coronavirus können immer noch ungewohnt sein. Wie kann man einen
Kunden auf Abstand gut bedienen? Wie halten Sie Distanz zu Ihren
Kunden, und bewahren weiter Ihre Herzlichkeit? FashionUnited fragte
Knigge-Expertin Anne-Marie van Leggelo, Inhaberin des niederländischen Het
Etiquette Bureau, wie „sicheres Einkaufen“ und „Gastfreundschaft“ Hand in
Hand gehen.
Zu Beginn des Telefongesprächs stellt Van Leggelo klar, dass die
Coronavirus-Pandemie eine Situation ist, mit der auch sie vorher nie zu tun
hatte. Als Knigge-Expertin achtet sie auf Umgangsformen und leitet sie
durch die Beobachtung der Gesellschaft ab. „Bis jetzt konnte ich darauf
zurückgreifen, was für Umgangsformen es bereits gab. Jetzt tauchen neue
auf“. Die Gesellschaft muss nun ihr Verhalten durch Sicherheitsvorschriften
neu gestalten, und die Umgangsformen passen sich im Laufe der Zeit immer
wieder an, sagt die Expertin. Dennoch hat sie in letzter Zeit einige Dinge
entdeckt, die für Ladenbesitzer nützlich sein könnten.
Gute Gastfreundschaft beginnt mit der allerersten Interaktion
Der Mensch ist ein Gewohnheitstier. Im Hinterkopf wissen die Menschen
zwar, was die Sicherheitsvorschriften sind, aber das Verhalten ist noch
nicht ganz darauf eingestellt. Van Leggelo ist daher ein Fan der
Wiederholung der Botschaft mittels Plakaten, Linien auf dem Boden und so
weiter. „Sie müssen informiert bleiben. In der sozialen Psyche muss ein
neuer Standard gesetzt werden“. Untersuchungen des niederländischen
Branchenverbands INretail zeigen beispielsweise, dass mindestens 87 Prozent
der Einzelhändler Kunden bereits einen Tag nach der Einführung des
Protokolls zum verantwortungsbewussten Einkaufen durch Plakate auf die
Sicherheitsvorschriften aufmerksam gemacht haben und 86 Prozent der
Einzelhändler wiesen aktiv auf die 1,5-Meter-Regel hin. In
Deutschland wird sich erst in den kommenden Wochen zeigen, wie die
Modehändler die Situation handhaben.
Die Tatsache, dass dieser Abstand in den Geschäften eingehalten werden
muss, macht das Einkaufen nicht unbedingt angenehmer. Eine gute Atmosphäre
zu schaffen ist daher wichtig, und das fängt an der Tür an, sagt Van
Leggelo. Gute Gastfreundschaft beginnt mit der allerersten Interaktion, die
die Verbraucher mit dem Geschäft haben. Van Leggelo rät daher, jemanden an
die Tür zu stellen, der zuallererst ein Auge darauf hat, wie viele Menschen
drinnen sind, aber auch als erste Anlaufstelle fungiert, wenn jemand Fragen
hat. Sie gibt ein Beispiel für ihren örtlichen Supermarkt, wo ein
fröhlicher Mann mit etwas Humor die Einkaufswagen und Einkaufskörbe an die
Leute in der Schlange verteilt. „Du siehst mir nach jemandem für diesen
Wagen aus, das ist ein schöner Wagen für dich“, schlägt sie vor. „Es ist
wichtig, dass es jemand mit Gewicht ist, dass er oder sie die Distanz auf
respektvolle, aber vielleicht humorvolle Weise herstellt. Diese Person ist
die erste, die jemand im Laden sieht. Sorgen Sie dafür, dass diese Person
positive Energie hat und Zuversicht ausstrahlt“.
Das Personal ist daher sehr wichtig. „Gehen Sie mit gutem Beispiel
voran, dann haben die Mitarbeiter ein Vorbild. Wenn Sie sich nicht an
die Regeln halten, verlieren Sie als Unternehmer jede Diskussion. Als
Führungskraft ist es daher wichtig, dafür zu sorgen, dass auch die
Mitarbeiter alle Sicherheitsvorschriften einhalten und dass sie sich nicht
zu nahe kommen“. Im Falle von Supermärkten können Sie sich beispielsweise
dafür entscheiden, ein Regal vorübergehend zu schließen, wenn es gefüllt
wird, damit die Besucher nicht zu nahe kommen. Dies kann auch in
Modegeschäften geschehen, wenn zum Beispiel Regale aufgefüllt oder eine neue
Kollektion aufgehängt werden muss. „Es ist auch wichtig, dass die
Mitarbeiter abwägen, wann sie Hilfe leisten oder nicht. Manchmal ist das
ohne physischen Kontakt einfach nicht möglich.“ Van Leggelo weist darauf
hin, dass es dann angebracht ist, auf die von der Regierung auferlegten
Maßnahmen zu verweisen, die das Geschäft ergreifen muss. Die Mitarbeiter
können darauf hinweisen, dass sie „jetzt leider nicht weiterhelfen können“.
Abstand halten in Geschäften: Tipps von einer Knigge-Expertin
Die Expertin betont auch, dass Menschen viel empfänglicher für positive
Botschaften sind. „Danken Sie ihnen für ihr Kommen, für ihre Unterstützung
und dafür, dass sie Abstand gehalten haben. Dann werden sie positiv an die
Regeln erinnert und vielleicht auch daran erinnert, dass sie sich nicht
so gut daran gehalten haben. So kann zum Beispiel das Danken von
Besuchern mittels einer Beschallungsanlage in großen Geschäften, aber auch
durch das (Kassen-)Personal erfolgen.
Was ist, wenn Sie jemanden erwischen, der sich nicht an die
Sicherheitsregeln hält? Von Leggelo hat auch hier einige Tipps parat. „Das Wichtigste ist das
Nonverbale, Ihre Haltung“. Schauen Sie nicht verärgert oder irritiert,
seien Sie nicht vorwurfsvoll und reden Sie leise. „Beginnen Sie
mit einer Situationsskizze. „Guten Tag, verehrte Frau, wegen des
Coronavirus sind wir durch Maßnahmen der Regierung und des Unternehmens
gezwungen worden, 1,5 Meter Abstand zu halten. Das klappt bei Ihnen noch
nicht ganz“. Dann gehen Sie zur Aktion über. „Ich möchte Sie bitten,
Abstand zu halten.“ Dann reagieren Sie zum Beispiel auf das Empfinden der
Menschen“, rät Leggelo. „Ich bedauere, Sie darauf hinweisen zu müssen.“ Als
nächstes kann man sich auf Schilder und Plakate beziehen, die zu den
Sicherheitsvorschriften aufgestellt wurden. „Gehen Sie vor allem niemals
davon aus, dass jemand das mit Absicht tut. Sollte das aber doch einmal der Fall sein und
die Dinge aus dem Ruder laufen, dann kann immer der Manager oder, falls
vorhanden, die Sicherheitsleute hinzugezogen werden“.
Der Einzelhandel in Zeiten der Coronavirus-Pandemie hat seine
Herausforderungen, wie die letzten Wochen gezeigt haben. Doch wo es eine
Herausforderung gibt, gibt es oft auch Raum für (kreative) Lösungen.
Dieser übersetzte Beitrag erschien zuvor auf
FashionUnited.nl
Bild: Pexels