Zwei von drei Einzelhändlern in
Deutschland verzichten noch immer auf den Verkauf ihrer Produkte im
Internet. Es handele sich um kleinere und mittlere Unternehmen, die
ihren Weg in den Online-Vertrieb noch nicht richtig gefunden hätten,
sagte der Hauptgeschäftsführer des Handelsverbandes Deutschland
(HDE), Stefan Genth, am Dienstag in Düsseldorf. Dabei bezog er sich
auf eine Branchenumfrage unter 850 Einzelhändlern in Deutschland – 65
Prozent von ihnen gaben an, nicht über das Internet zu verkaufen. Bei
den Offline-Verkäufern geht es den Angaben zufolge unter anderem um
Lebensmittelhändler, Klamottenläden und Spezialisten wie Juweliere,
die aus Versicherungsgründen auf den Versand verzichten.
Der hohe Offline-Wert liegt zum Teil daran, dass der
Lebensmittelhandel, auf den grob gesagt ein Drittel des gesamten
Einzelhandelsumsatzes entfällt, generell noch hinten dran ist in
Sachen Internetvertrieb, unter anderem wegen der recht teuren
Logistik bei frischen Lebensmitteln. Doch auch andere Firmen sind bei
der fortschreitender Digitalisierung noch außen vor. Händler scheuten
Investitionen, da ihnen Anforderungen zur Datensicherheit und zur
schnellen Abwicklung und Zustellung sehr hoch erschienen, sagte
Genth. “Der Kunde ist heute nicht bereit, eine Woche darauf zu warten
das Zeitfenster muss passen.”
Der Verbandsvertreter betonte, dass man Händler nicht generell in
den Online-Vertrieb drängen sollte, vielmehr hänge es vom Standort
und vom Geschäft einer Firma ab. Der Offline-Anteil bei den deutschen
Einzelhändlern ist seit einigen Jahren etwa gleich geblieben.
HDE-Hauptgeschäftsführer Genth rechnet aber mit einer baldigen
Veränderung. “Ich bin sicher, dass die Quote der Unternehmen, die
heute noch nicht digital unterwegs sind, deutlich sinken wird”, sagte
er. Wenn ein Firmenchef altersbedingt aufhört und ein jüngerer
übernimmt, werde häufig ein Digitalkurs eingeschlagen. “In fünf
Jahren wird es wahrscheinlich ein völlig anderes Bild sein.”
Wie wichtig der Online-Verkauf für die Handelsbranche ist,
verdeutlichen andere Zahlen aus der Umfrage. Die machen die zwei
Geschwindigkeiten beim Wachstum der Branche deutlich: Bei
Ladengeschäften ist insgesamt – wenn überhaupt – Schneckentempo zu
sehen, zum Beispiel weil Innenstädte weniger Käufer anziehen als
zuvor. Der Online-Handel hingegen boomt.
So rechnet der HDE dieses Jahr im stationären Handel
preisbereinigt nur mit einem “Nullsummenspiel”, wie Genth es nannte.
Zwar dürfte der Umsatz in Ladengeschäften um 1,3 Prozent auf rund 480
Milliarden Euro anziehen. Zieht man allerdings die Inflation ab,
landet man wohl bei etwa null Prozent – im Vorjahr war die
Entwicklung ähnlich. Der Boom im Online-Handel geht hingegen weiter,
er dürfte um 8,5 Prozent klettern auf rund 58 Milliarden Euro.
Preisbereinigt wären das noch satte sieben Prozent plus.
Die wirtschaftliche Situation habe sich im Einzelhandel gegenüber
dem Vorjahr leicht verbessert, sagte Genth. Aber: “Der Aufwärtstrend
der letzten Jahre geht am mittelständischen Einzelhandel in vielen
Fällen vorbei.” Kleinere Firmen hätten Schwierigkeiten, die
Digitalisierung zu meistern. Er monierte, dass strenge
Datenschutzregeln besonders für Mittelständler abschreckend seien und
appellierte gen Brüssel: “Die neue EU-Kommission muss die Regelungen
praxisnah gestalten und nicht weier verkomplizieren.” In Deutschlands
Einzelhandel arbeiten den Angaben zufolge rund drei Millionen
Menschen in 300 000 Firmen.
Circa 50 Kilometer rheinaufwärts war der Online-Handel am
Dienstagmorgen ebenfalls ein Thema, und zwar in Köln bei einer
Pressekonferenz zur Lebensmittelmesse Anuga. Allzu große Begeisterung
hierzu kam dabei nicht auf. Der Onlinehandel macht laut dem
Bundesverband der Deutschen Lebensmittelhändler (BVLH) nur etwa ein
bis zwei Prozent des Gesamtumsatzes aus. Zwar gebe es große
Zuwachsraten im Onlineverkauf von Lebensmitteln, das Umfeld sei aber
schwierig, erklärte BVLH-Hauptgeschäftsführer Franz-Martin Rausch.
Die Menschen haben recht viele Supermärkte in ihrer Nähe, daher lohne
sich dieses Online-Shopping für sie nicht unbedingt. Die Kosten
hierbei seien für Lebensmittelhändler recht hoch. (dpa)