Das Lächeln aus dem Computer: KI-Fotos krempeln Bilder-Markt um

Der Bedarf an Fotos in der Werbeindustrie und den Medien ist quasi
unendlich groß. Wenn es darum geht, den Nachschub an möglichst
unverbrauchten Motiven zu stillen, machen Algorithmen den
menschlichen Models Konkurrenz.

«Tracey aus Florida» läuft den Strand entlang und
lächelt für den Werbespot in die Kamera. «Präsident Trump macht einen
wunderbaren Job. Ich könnte mir keinen besseren Präsidenten der
Vereinigten Staaten von Amerika vorstellen», sagt eine Stimme aus dem
Off. In einem anderen Werbevideo sieht man auch einen optisch eher
ungewöhnlichen Trump-Fan: «Thomas aus Washington». Mit Hipster-Bart
und bunten Tattoos lehnt er hinter dem Tresen einer Bar, während aus
dem Off ein Loblied auf Trump gesungen wird.

Dass es sich bei «Tracey» und «Thomas» nicht um echte Trump-Supporter
handelt, stellte sich schnell heraus. Es handelte sich nicht einmal
um gebuchte Schauspieler, sondern um Protagonisten aus einer
Stockbilddatei, in der Videosequenzen auf Vorrat liegen. «Tracey»
lief nicht an der Küste Floridas entlang, sondern an einem
Mittelmeer-Strand. Und Hipster «Thomas» bediente seine Gäste nicht in
Washington, sondern in Tokio. Und beide Akteure hatten nach
Recherchen von CNN keine Ahnung, dass sie in den Wahlkampfspots für
Trumps Facebook-Seite ein tragende Rolle spielen sollten.

Künftig können sich die Betrachter von Werbespots sogar nicht mehr
sicher sein, ob die gezeigten Personen überhaupt existieren.
Zumindest bei Fotos fällt schon heute der Unterschied schwer, ob es
sich um Porträts von Menschen handelt oder um Bilder, die vollständig
in einem Computer produziert wurden.

Man kann das schnell selbst ausprobieren: Auf der Website
whichfaceisreal.com stellen zwei Professoren der University of
Washington, Jevin West und Carl Bergstrom, Tausende virtuelle
Porträts in einem Vergleich echten Fotos gegenüber. Der User kann mit
einem Klick entscheiden, welches Bild eine reale Person zeigt und
welches einen KI-Replikanten. Rund sechs Millionen Runden wurden von
einer halben Million Menschen gespielt. Bei etlichen Motiven aus dem
Computer meinte über die Hälfte der Spieler, es handele sich um ein
echtes Porträt.

Das Generieren von künstlichen Gesichtern ist aber längst keine
akademische Fingerübung mehr: Jetzt erregt das US-Unternehmen
Generated Media mit einem riesigen Katalog von künstlich generierten
Porträts große Aufmerksamkeit. Die Firma stellte vor gut einer Woche
100 000 Bilddateien unter der Adresse https://generated.photos/ zum
Herunterladen bereit, die für private Zwecke kostenlos genutzt werden
dürfen. «Wir sind begeistert von der Resonanz auf unser 100K Faces
Project, und auch ein wenig überwältigt», schrieb Firmen-Manager
Tyler Lastovich in einem Blogeintrag.

Bei «Generated Photos» kommt wie bei dem Uni-Projekt aus Washington
das Software-Paket «StyleGAN» des US-Chipgiganten Nvidia zum Einsatz,
das unter einer freien Lizenz veröffentlicht wurde. Wie bei so vielen
Projekten in der Künstlichen-Intelligenz-Forschung brauchte es
menschlichen Input, um das System anzulernen. Nvidia bediente sich
bei der Yahoo-Fotowebsite Flickr, um über 70 000 frei verfügbare
Bilder von echten Menschen als Trainingsmaterial herunterzuladen.
Nach Angaben von Firmengründer Ivan Braun wurden für das Projekt
«Generated Photos» weitere 29 000 Bilder von 69 Models ausgewertet,
die Firmenfotografen aufgenommen hatten.

Experten gehen davon aus, dass in wenigen Jahren nicht nur Fotos von
KI-Replikanten generiert werden können, sondern komplette Videos.
«Wir denken, dass wir das weiter vorantreiben können, indem wir nicht
nur Fotos, sondern auch 3D-Bilder erzeugen, die in Computerspielen
und Filmen verwendet werden können«, sagte Jaakko Lehtinen auf dem
KI-Lab von Nvidia in Finnland der «New York Times».

Die Forscher kehren dabei das Prinzip der Objekterkennung mit einem
komplexen Algorithmus, der als neuronales Netzwerk bezeichnet wird,
um. Bei den neuronalen Netzwerken kann das System durch das
Identifizieren gemeinsamer Muster lernen, dass es sich um ein
menschliches Gesicht handelt. Der Kniff war, dem System beizubringen,
diese Muster zu verwenden, um eigene Bilder von «menschlichen»
Gesichtern zu erstellen. In einem Wettbewerb von zwei neuronalen
Netzwerken strengt sich das eine System an, das andere System zu
übertölpeln und ein generiertes Bild als echtes Porträt
vorzutäuschen. Das andere System versucht wiederum, sich nicht
täuschen zu lassen.

Bei vielen KI-Porträts, die von dem System als «echt» durchgewunken
werden, fällt es dem menschlichen Auge jedoch noch leicht, die
Fälschung zu erkennen, etwa an unnatürlich erscheinenden
Haarsträhnen, merkwürdigen Haut-Texturen oder unsymmetrisch
erscheinenden Augen. Es ist aber nur eine Frage der Zeit, bis die
KI-Systeme so gut trainiert sind, dass solche Fehler beseitigt
werden.

Die Auswirkungen auf den Markt der Bildagenturen, die Fotos auf
Vorrat anbieten, scheinen vorhersehbar: «Diese KI-generierten Leute
werden die Stockfotografie killen», prognostiziert das
Business-Portal «Fast Company». Firmen, die für kommerzielle Zwecke
Porträtfotos benötigen, können nämlich demnächst über eine technische
Schnittstelle (API) die gewünschten Kriterien wie Alter, Geschlecht,
Hautton und Stimmung vorgeben – und erhalten dann die entsprechenden
Bilder aus dem System. (dpa)

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