Deutscher Industrieverband: Unsicherheiten nach Brexit nicht vorbei

Die Zeit der Unsicherheit für deutsche
Unternehmen und für Hunderttausende Beschäftigte ist nach dem Brexit
noch lange nicht vorbei. Zwar habe die Hängepartie um den Austritt
Großbritanniens aus der EU ein Ende, doch zur Erleichterung bestehe
kein Anlass, sagte der Hauptgeschäftsführer des Bundesverbands der
Deutschen Industrie (BDI), Joachim Lang, am Dienstag in Berlin. Wie
es beim zukünftigen Verhältnis zwischen der Europäischen Union und
Großbritannien weitergehen solle, sei offen. Es gehe vor allem um die
künftigen Wettbewerbsbedingungen.

Am 31. Januar um 24.00 Uhr soll Großbritannien die Europäische
Union verlassen. Danach stehen Verhandlungen über das künftige
Verhältnis der EU mit London an, die bis zum Ende der Übergangsphase
am 31. Dezember 2020 abgeschlossen sein müssen.

Das Risiko eines harten Bruchs mit Großbritannien ohne Abkommen
bleibe groß, sagte Lang. Die Unternehmen wüssten weiterhin nicht,
worauf sie sich im Verlauf dieses Jahres einstellen müssten. Dies
könnte auch Auswirkungen auf Jobs in deutschen Firmen haben. Rund
eine halbe Million Arbeitsplätze hingen am Geschäft mit
Großbritannien, so Lang. 20 Prozent davon könnten im schlimmsten Fall
betroffen sein, etwa weil Firmen ihre Produktion in Großbritannien
auslaufen lassen. Zudem sind die deutschen Exporte ins Vereinigte
Königreich im vergangenen Jahr bereits deutlich zurückgegangen.

Lang sagte, aufgrund der kurzen Verhandlungszeit sei bis
Jahresende ein umfassendes Handelsabkommen zwischen der EU und
Großbritannien nach dem Vorbild des Abkommens zwischen der EU und
Kanada kaum möglich – dafür hätten die Verhandlungen sieben Jahre
gedauert. Ein tiefgreifendes Freihandelsabkommen zwischen der EU und
Großbritannien müsste zudem bis Jahresende von allen nationalen
Parlamenten ratifiziert werden.

„Ich halte es für einen schweren Fehler, dass die britische
Regierung die Verlängerung der Übergangsphase kategorisch
ausschließt“, sagte Lang. Daher komme es nun darauf an, die
wichtigsten Punkte in einem „Basisabkommen“ zu vereinbaren, damit es
Ende des Jahres nicht zu wirtschaftlichen Verwerfungen komme. Das
Basis-Abkommen müsse mindestens den Verzicht auf Zölle und Quoten
beinhalten – genauso wie das klare Bekenntnis zu fairen
Wettbewerbsbedingungen. Die Wirtschaft brauche einen klaren Rahmen,
der staatliche Subventionen regele und einen Wettlauf nach unten
verhindere – bei Verbraucher-, Umwelt-, Sozial- und
Arbeitnehmerstandards.

Lang sagte, Großbritannien werde voraussichtlich versuchen,
Nachteile wettzumachen, dadurch dass London künftig nicht mehr Teil
des EU-Binnenmarkts sei – indem etwa Steuern für Unternehmen weiter
gesenkt würden. Dadurch steige der Handlungsdruck auf die
Bundesregierung für steuerliche Entlastungen.

EU-Produzenten, die einen Teil ihrer Produkte im Vereinigten
Königreich produzieren, könnten bereits ab Samstag erste Auswirkungen
spüren, sagte Lang. Bei Exporten in Partnerstaaten, mit denen die EU
Freihandelsabkommen abgeschlossen hat, sei fraglich, inwieweit
europäische Ware mit teilweise britischen Komponenten während der
Übergangsphase noch in den Genuss reduzierter Zollsätze komme. Die
Entscheidung, das Siegel „made in EU“ anzuerkennen, liege allein bei
den Partnerstaaten. (dpa)

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