Die Rheinmetropole Düsseldorf präsentiert sich gerne als stabiler Orderstandort mit Planungssicherheit an dem gearbeitet wird. Doch am Anfang der neuen Dekade scheinen zwischen dem Sichten der Kollektionen und dem Schreiben der Ordern vielerorts auch die Sorgen im deutschen Modehandel durch.
Nach einem aufgeregten Saisonstart in Berlin setzt sich die Orderphase nüchtern in Düsseldorf fort. Am Sonntag und Montag, den letzten beiden Tagen der Kernorderphase in der Stadt, war die Atmosphäre entspannt bis ruhig. Die verhaltene Stimmung traf auch auf insgesamt gedeckte Farben und leisen Prints in den mehr als 670 Showrooms, wie auf den Messen Gallery und Supreme.
Während bei einigen etablierten Labels das Geschäft sichtbar brummte, hatten es Newcomer wie bereits in vergangenen Saisons schwer. Denn bei den Ordertagen trifft eine steigende Menge an Modelabels auf eine rückläufige Zahl an Einkäufern. Die Strukturen im Einzelhandel verschieben sich weiter; die Zahl der stationären Modehändler in Deutschland sinkt, der Onlinehandel nimmt zu.
Modemarkt im Umbruch
“Der Markt ist im Umbruch, die Karten werden neu gemischt”, sagte Stefanie Gruber, Vertriebsleiterin beim Münchner Label Herrlicher auf dem Stand der Marke auf der Modemesse Supreme.
Der Onlinehandel mit Bekleidung und Schuhen wuchs 2019 so stark wie seit fünf Jahren nicht mehr; der Umsatz legte im abgelaufenen Jahr 11,4 Prozent auf 18,7 Milliarden Euro zu, zeigen Zahlen des deutschen E-Commerce-Verbands. Die Anzahl der stationären Bekleidungshändler nahm weiter ab – nicht nur wegen der Konkurrenz online, sondern auch weil jüngere Generationen, den Familienbetrieb nicht übernehmen, oder aufgrund von Insolvenzen. Auch Modehersteller hat es 2019 wieder getroffen, was auch für Unruhe und auch Chancen im Markt sorgt.
“Alte Marken fallen in den Sortimenten der Händler weg, und dann müssen neue gefunden werden”, fügte Erwin Licher, Inhaber der Marke Herrlicher, hinzu. Sein Label konnte in den vergangenen Saisons wachsen, weil es mittlerweile neben dem Markenzeichen Denim auch mehr Damenbekleidung verkauft.
Vorsichtig optimistisch
Zwischen den Türen der Showrooms erzählt manch Einkäufer davon, wie froh sie seien, dass alle Lieferanten noch da sind. Wie hart der schwierige Modemarkt etablierte deutsche Unternehmen treffen kann, zeigte nicht zuletzt die Insolvenz von Gerry Weber im vergangenen Jahr.
Nach einerdrastischen Schrumpfung präsentiert der Bekleidungshersteller seine erste Kollektion nach dem Abschluss des Insolvenzverfahrens, die deutlich cleaner als zuvor wirkt. Mit seiner Verjüngungskur sei Gerry Weber auf Kurs, sagte Urun Gursu, Produktchef im Düsseldorfer Showroom. “Für die aktuelle Orderrunde Juli, August, September gehen wir wieder davon aus, dass wir das Budget erfüllen”, sagte er über das Wholesale-Geschäft der Marke.
Wer sich optimistisch äußert, tut es nur mit Vorsicht – wohl oft auch mit Rücksicht auf Händler oder Mitbewerber nebenan, die es gerade schwer haben könnten. Über Orderlage oder Prognosen wird nur ungern gesprochen.
Düsseldorf bleibe weiter ein relevanter Standort um wichtige Kontakte zu treffen, sagte Ulf Döner, Director Sales National, Sales DACH Marc O’Polo, schriftlich über den Start der Orderphase. “Vor allem freuen wir uns über die positive Resonanz, die unser Investment in Produkt, Qualität und Marketing bestätigt”,
Die Messe Supreme setzt auf Beständigkeit im hochpreisigen Segment und ist stets bei drei Stockwerken geblieben sagte Aline Müller-Schade, Mitgründerin der Munich Fashion Company, die das Format für gehobene Mode in Düsseldorf veranstaltet. Auch ihr Marktsegment entwickelt sich stabil: ”Wir sind froh, dass wir die Spitze der Pyramide bedienen und dass das Luxussegment ganz gut läuft.”
Ein Hauch von Nachhaltigkeit bei den Düsseldorfer Ordertagen
Die Supreme hat sich in dieser Saison auch erstmals entschlossen, ein nachhaltiges Label für Aussteller in seinem Programmheft einzuführen. In Düsseldorf kommt der Nachhaltigkeits-Gedanke also langsam an, wenn auch erst vereinzelt. Aber es ist ein Segment, das wächst. Bei dem grünen Modelabel Lanius wird nach einer starken Berlin Fashion Week und Innatex auch bei der Agentur Heudecker in Düsseldorf weiter Ordern geschrieben.
“Wir sehen, spüren und fühlen, dass Nachhaltigkeit jetzt richtig ankommt, und erhalten eine gesteigerte Aufmerksamkeit”, sagte Claudia Lanius per E-Mail über den Start der Ordersaison. “Das spiegelt sich auch direkt im Ablauf von Terminen und in der Anzahl an Ordern wider.”
Einzelne Brands auf ihren Messen als nachhaltig zu kennzeichnen erachtet Ulrike Kähler, Geschäftsführerin des Messeveranstalters Igedo Company GmbH & Co. KG, nicht als sinnvoll. Vielmehr sollten sich alle in die Richtung bewegen.
“Jeder muss seinen Anteil tun; das sage ich auch den Brands. Wir tun das als Veranstalter auch”, sagte Kähler, die die Gallery Fashion auf dem Areal Böhler ausrichtet. Hier werden keine Plastik-Badges mehr ausgegeben und es werden keine Plastiktüten mehr verteilt, so Kähler.
Mehr Accessoires auf der Gallery
Auf der Gallery Fashion ist die Anzahl der Accessoires-Anbieter in den vergangenen Saisons weiter angewachsen. Viele Huthersteller sind von dem Fashion House auf die Gallery Fashion umgezogen, im Januar 2020 zeigten insgesamt 16 Unternehmen hier.
Das Traditionsunternehmen Mayser kann seit seinem Umzug eine höhere Frequenz und mehr Neukunden verbuchen. Im Hutfachhandel ist Mayer schon weit vertrieben, daher sei es gut, hier mehr Kontakt zu Modehäusern zu bekommen, erzählte Petra Schleicher, Head of Product & Sales bei Mayser auf der Gallery Fashion. “Wir sind erst seit zehn Tagen am Ordern; in Paris konnten wir bereits Neukunden gewinnen und insofern sind wir positiv gestimmt.“
Mehr als 800 Brands stellen auf der Gallery Fashion und den angrenzenden Showräumen auf dem Areal Böhler aus. Die Zahl der Aussteller sei in den vergangenen Jahren angewachsen, sagt Ulrike Kähler, aber ein Besucherzuwachs sei angesichts der schwindenden Zahl der Modehändler nicht zu erwarten.
“Den Einzelhandel, den wir einmal hatten, werden wir nicht zurückbekommen”, sagte Ulrike Kähler. Vor allem mengenmäßig gebe es kein zurück, sagte sie. “Aber jetzt ist auch die Zeit, wo wir alle mit neuen Konzepten reagieren müssen. Alle müssen ihre Hausaufgaben machen.”
Bild: Gallery Fashion