Die Unternehmensberatung McKinsey & Company hat die Auswirkungen der
Covid-19-Pandemie auf die Lieferketten internationaler Bekleidungsanbieter
untersucht. In ihrer Studie kamen die Forscher zu dem Schluss, dass die
Krise neben akuten wirtschaftlichen Problemen einen langfristigen
Innovationsschub auslösen könnte.
Mitarbeiter von McKinsey hatten im April insgesamt 116 Einkaufsleiter
von namhaften Bekleidungsanbietern zu ihren Erfahrungen und Plänen befragt.
Deutlich wurde, dass die Pandemie bereits finanzielle Engpässe bei
zahlreichen Zulieferern ausgelöst hat. „Jeder zweite Einkaufschef von
Bekleidungsunternehmen berichtet, dass ein Viertel ihrer Lieferanten
bereits Finanzprobleme hat. 45 Prozent der Befragten geben an, dass nach
ihrer Erwartung in sechs Monaten bereits mehr als die Hälfte ihrer
Zulieferer in finanzieller Not sein wird“, erklärte die
Unternehmensberatung in einer Mitteilung. Zahlreiche Bekleidungsanbieter
hätten daher inzwischen Unterstützungsmaßnahmen für ihre Produzenten
eingeleitet.
Beschaffung in der Bekleidungsindustrie soll flexibler und nachhaltiger
werden
Sobald die akute Ausnahmesituation überwunden ist, könnte es aber zu
einer umfassenden Modernisierung in der Branche kommen: „Die Krise bietet
die Chance, jetzt an fundamentalen Veränderungen in der Modebeschaffung zu
arbeiten und Lieferketten zu flexibilisieren“, erläuterte Karl-Hendrik
Magnus, Experte für Sourcing und Nachhaltigkeit bei McKinsey, in einer
Mitteilung.
So könnten nach Ansicht der Forscher überkommene Strukturen aufgebrochen
werden und „seit Jahrzehnten bestehende Probleme gelöst“ werden.
Beispielsweise habe sich fast die Hälfte der befragten Einkaufschefs dafür
ausgesprochen, die Produktionsstätten wieder näher an die Absatzmärkte
heranzuholen – also sogenanntes „Near-Shoring“ zu betreiben. Zudem planen
zahlreiche Befragte, die Digitalisierung in der Produktentwicklung zu
steigern. Auch das Thema Nachhaltigkeit dürfte demnach nach der Krise noch
größere Bedeutung bekommen: Das zeigt sich beispielsweise in der Absicht
vieler Kunden, künftig weniger zu kaufen. Darauf wollen die
Sourcing-Verantwortlichen reagieren: Neunzig Prozent der Befragten gaben
an, „dass ihr Beschaffungsvolumen in der zweiten Jahreshälfte dieses Jahres
im Vergleich zum Vorjahr sinken wird“. Daher gelte es künftig, die
Produktion weniger auf schiere Masse als auf die konkreten Wünsche der
Verbraucher auszurichten und entsprechend flexibel zu gestalten.
Das könnte die gesamte Industrie nachhaltiger werden lassen: Nach
Angaben von McKinsey ist das Interesse der Kunden an umweltschonenden und
fairen Produktionsweisen zuletzt weiter gestiegen. Darauf würden die
Bekleidungsanbieter bereits reagieren: „Modeunternehmen kämpften seit
Beginn der Krise um ihre Existenz, haben aber auch stärker Verantwortung
für ihre Mitarbeiter und Lieferanten übernommen“, erläuterte Achim Berg,
Seniorpartner und Leiter der Modeindustrieberatung bei McKinsey.
„Partnerschaftliche Zusammenarbeit entlang der Lieferkette sowie soziale
und ökologische Nachhaltigkeit sind noch wichtiger geworden.“
Foto: Performance Days