Das hat es lange nicht gegeben: Erstmals
seit 2015 muss die vom Mittelstand dominierte ostdeutsche Textil- und
Bekleidungsindustrie ein Umsatzminus verkraften. Nach jeweils 1,87
Milliarden Euro 2018 und 2017 setzten die Unternehmen nach
vorläufigen Berechnungen des Branchenverbandes vti im vergangenen
Jahr rund 1,8 Milliarden Euro um, wie der Verband am Freitag in
Chemnitz vor Journalisten mitteilte. Seit 2015 (1,8 Milliarden Euro)
war der Umsatz stets leicht gestiegen oder gleich geblieben.
„Das Gesamtergebnis von Textil und Bekleidung für 2019 kann sich
trotz der Probleme – insbesondere spürbare Verluste bei einigen
Automobilzulieferern – sehen lassen“, sagte vti-Hauptgeschäftsführer
Jenz Otto. Neben der geringeren Nachfrage nach technischen Textilien
für die Autoproduktion belasten die Firmen den Angaben zufolge die
Handelsbeschränkungen im Russland-Geschäft.
Dennoch blicken die Unternehmen laut Otto zuversichtlich auf
2020. Grundlage dafür sei der ifo-Geschäftsklimaindex für die letzten
drei Monate 2019. Es habe keine Rezession gegeben. „Die positive
Stimmung wird auf unsere Industrie übertragen“, betonte er.
Angesichts der rückläufigen Umsatzentwicklung warnte der Verband
vor weiteren Belastungen. Mit einem Anteil von 45 Prozent am
Gesamtumsatz seien die Unternehmen sehr exportabhängig und den
Turbulenzen auf den aktuellen Märkten ausgesetzt. „Jegliche
politischen Maßnahmen oder bürokratischen Regulierungen, die ihnen
zusätzlich das Leben schwer machen, beeinflussen die
Wettbewerbsfähigkeit und sind daher fehl am Platze“, warnte Otto und
verwies vor allem auf die CO2-Gesetzgebung.
Für das Unternehmen Thorey Gera Textilveredlung GmbH hat
Geschäftsführer Andreas Ludwig die Mehrbelastung bereits
ausgerechnet. Sein Unternehmen hat zuletzt 900 000 Kilowattstunden
Strom und 6,6 Millionen Kilowattstunden Erdgas verbraucht. Bei einer
Preis von 25 Euro pro Tonne Co2-Ausstoß ab 2021 würden auf der
Grundlage der Zahlen von 2018 Mehrkosten von 41 000 Euro pro Jahr auf
die Firma zukommen. „Mittelstandsfreundliche Wirtschaftspolitik ist
das sicher nicht“, sagte Ludwig.
Daneben plagen ihn und seine Geschäftsführer-Kollegen aus anderen
Betrieben die schlechte Personallage. „Was wir nicht selber
ausbilden, haben wir nicht“, sagte Ludwig. Die Premium Bodywear AG
aus Chemnitz beklagt den Mangel an technischem Personal wie Schneider
oder Näher. Man könne machen, was man wolle: Ob man Personal bekomme,
sei dem Zufall überlassen, sagte Vorstand Frank Markert. „Wir könnten
nicht so viel ausbilden wie wir wollen.“
Die Norafin Industries Deutschland GmbH aus Mildenau im
Erzgebirge greift bei der Arbeitskräftegewinnung und -ausbildung auch
auf Quereinsteiger zurück. „Heute nehmen wir, was wir kriegen
können“, sagte Geschäftsführer André Lang.
Der vti vertritt nach eigenen Angaben 180 der 350 Betriebe in
Sachsen, Sachsen-Anhalt, Thüringen, Brandenburg, Berlin und
Mecklenburg-Vorpommern. Die Unternehmen beschäftigen rund 16 000
Mitarbeiter, davon 14 500 in Sachsen und Thüringen. (dpa)