Vor gerade einmal sechs Jahren wurde Rebelle.com in Hamburg
gegründet. Spezialisiert auf Luxusmode aus zweiter Hand, arbeiten heute
schon 90 Mitarbeiter für die reine Online-Plattform, auf der über 150.000
Artikel platziert sind und in alle Welt verkauft werden. Zahlreiche
Kooperationen mit Influencern, die ihre Designerstücke über Rebelle
verkaufen, kurbeln Reichweite und Begehrlichkeit an. Das Besondere an
Rebelle.com ist jedoch das innovative Konzept, mit dem das Unternehmen den
Onlinehandel mit stationären Geschäften verbindet: Gründerin Cécile
Wickmann veranstaltet mit stationären Händlern und Marken Shopping-Events,
bei denen die Kunden neue Ware kaufen und ihre alten Schätze verkaufen
können. So wird gleich Platz im Schrank geschaffen und Nachhaltigkeit
demonstriert. Wir haben Cécile Wickmann gefragt, wie das genau
funktioniert.
Rebelle gibt es seit 2013. Hat sich die Wahrnehmung von
Second-Hand-Mode in den letzten Jahren verändert?
Wir haben uns am Anfang oft gefragt, wie wir das nennen sollen, was
wir machen? Second-Hand hatte damals noch etwas Muffiges – genauso, wie es
früher in den Second-Hand Läden oft gerochen hat. Wir hatten also anfangs
gegen enorme Vorurteile zu kämpfen. Wir wollten den angestaubten
Second-Hand-Markt revolutionieren, nicht nur weil Second-Hand nachhaltiger
ist als neue Mode, sondern auch weil wir einen vertrauensvollen Service
aufbauen wollten, der den Kunden die Angst vor Gebrauchtem und vor Fakes
nimmt. Heute, sechs Jahre später, hat sich das Bild dramatisch gewandelt.
Nicht nur Stars und Sternchen sind heute bekennende Vintage-Liebhaber,
Second-Hand ist als Teil des nachhaltigen Konsums absolut salonfähig
geworden. Wir wissen in Deutschland heute schon sehr viel über Car-Sharing
oder gesundes Essen, aber bei der Mode wissen viele oft noch nicht, welchen
Brands sie vertrauen können. Second-Hand ist da eine super Möglichkeit,
Nachhaltigkeit und gleichzeitig Individualität auszudrücken.
Nachhaltigkeit ist heute ein wichtiges Thema in der Mode. Wie sind Sie
auf die Geschäftsidee gekommen, online Second-Hand-Mode von Designerlabels
zu verkaufen?
Anfangs ging es mir, neben dem Nachhaltigkeits-Gedanken, vor allem um
das Service Angebot. Die Idee ist aus einer privaten Situation heraus
entstanden: Ich hatte durch meine vorigen Jobs viele Modeartikel, mit denen
ich nicht umziehen konnte, als ich für das Studium ins Ausland ging und
nachher in Hamburg anfing zu arbeiten. Also hatte ich alles bei meinem
Vater im Keller eingelagert bis irgendwann der Anruf kam, Keller
leerräumen! Ich hatte damals keine Zeit, mich darum zu kümmern, und so kam
die Idee, dass es doch toll wäre, wenn man eine super bequeme, komfortable
und vertrauensvolle Möglichkeit hätte, solche Sachen zu verkaufen.
Wie hat sich Rebelle wirtschaftlich entwickelt?
Wir sind in den letzten Jahren stark gewachsen. Wir verschicken heute
in die ganze Welt. Etwa 70 Prozent unserer Produkte werden tatsächlich
grenzüberschreitend verkauft, also Verkäufer und Käufer sitzen in
unterschiedlichen Ländern. Auch unser Onlineshop ist inzwischen
fünfsprachig.
Wie genau funktioniert Rebelle.com?
Es gibt zwei Wege: Einmal den Do-it-yourself-Service, wo Kunden ihre
Artikel selbst fotografieren, beschreiben und über unsere Plattform
verkaufen. Diese Artikel werden nach dem Verkauf an uns versandt, wir
überprüfen Zustand und Echtheit und verschicken das Produkt an den Käufer.
Der andere Weg – mit dem wir auch gestartet sind – ist unser sogenannter
Concierge Service. Hier schickt uns ein Kunde das Produkt, und wir
übernehmen den gesamten Verkaufsprozess: Die Zustandsprüfung, die
Produktbeschreibung, das Fotografieren, die Preisfindung, die Lagerung und
den Versand. Wird das Produkt verkauft, erhalten wir eine Provision, werden
aber niemals selbst Eigentümer der Ware. Wir sorgen allein für die
reibungslose Transaktion. Dabei hat der Käufer neben einem tollen
Einkaufserlebnis die Sicherheit, dass er echte Produkte in einem sehr guten
Zustand bekommt, und der Verkäufer freut sich über einen tollen Service.
Sie machen auch Kooperationen mit Händlern und Marken, wie kommen die
an?
Diese Kooperationen kommen sehr gut an, weil sie für alle Seiten eine
Win-Win-Situation darstellen. Händler und Marken können dazu beitragen, den
Lebenszyklus ihrer Produkte zu verlängern und ihren ökologischen Footprint
zu verringern. Und die Kundinnen bekommen die Möglichkeit, ihre alten
Schätze zu Geld zu machen, um sie in neue Stücke zu investieren. Wir haben
mit vielen Multi-Brand-Stores Shop-Events in Deutschland, Holland, Italien
und Großbritannien durchgeführt – beispielsweise mit Unger in Hamburg. Wir
machen aber auch Kooperationen mit Marken, wie z. B. Dorothee Schumacher
oder Madeleine Thompson und entwickeln eigene Produkte.
Wie funktionieren diese Kooperationen?
Zu den klassischen Shop-Events werden die Kunden dazu eingeladen, die
Designerstücke, die sie verkaufen wollen, mitzubringen. Ganz egal von
welcher Marke. Wir überprüfen die Artikel und nehmen sie entgegen, um sie
für den Verkauf vorzubereiten. Der Verkäufer erhält dann oft noch ein
Goodie oder einen Gutschein für den entsprechenden Store und bekommt von
uns nach Verkauf seiner Sachen auf rebelle.com seinen Erlös überwiesen.
Manchmal gibt es auch besondere Verkaufskooperationen, wie z. B. bei Uzwei
in Hamburg, wo wir für ein paar Wochen vom Store kuratierte Vintage Hermès
und Chanel Taschen verkauft haben.
Inwiefern hilft Ihnen die Möglichkeit online und offline zu verbinden?
Uns hilft es sehr. Insbesondere nutzen wir diese Möglichkeit um in
neuen Märkten bekannt zu werden. Der Vorteil: Die Händler haben schon den
Kontakt zur lokalen Zielgruppe, und sie können uns viel persönlicher und
vertrauensvoller präsentieren. Nur über den Launch einer Website wäre es
wesentlich schwieriger, die Kunden davon zu überzeugen, dass wir
ausschließlich Originale verkaufen und absolut vertrauensvoll sind. Es
nimmt die digitale Hemmschwelle, die insbesondere die ältere Generation
manchmal noch hat.
Gibt es Unterschiede im internationalen Vergleich?
Spannend für uns war, dass es bei den Top 10 Marken im Luxusbereich
nur kleine regionale Unterschiede gibt! In den meisten Ländern wird die
Liste von Marken wie Luis Vuitton, Gucci, Chanel, Hermès etc. angeführt. In
Deutschland ist z. B. Gucci auf Platz vier, in Italien auf Platz eins. Der
Luxusmarkt ist sehr international aufgestellt. Als wir damals nur mit
Rebelle.de gestartet sind, dachten wir, die Unterschiede seien wesentlich
größer.
Oft heißt es, die Qualität der Bekleidung nehme so stark ab, dass sich
ein längerer Produktlebenszyklus gar nicht realisieren ließe. Stimmt das?
Das kann ich nicht bestätigen. Da scheidet sich die Modeindustrie in
zwei große Hälften: die Luxusmode und die Fast Fashion. Bei der Luxusmode
ist die Qualität definitiv nicht schlechter geworden, das könnte sich keine
Marke erlauben.
Es gibt immer mehr, die auf das Second-Hand-Business aufspringen – von
Momox bis zu H&M. Was halten Sie davon?
Diese Entwicklung macht uns sehr große Freude und bestätigt uns.
Momox hat seine Zielgruppe im mittleren Marktsegment, und von Marken wie
H&M hätte man niemals erwartet, dass sie Second-Hand-Kleidung sammeln! Es
findet also ein Umdenken statt, die Barrieren verschwinden – nicht nur auf
Seiten der Konsumenten, sondern auch auf Seiten der Unternehmen. Sie müssen
handeln, weil die Konsumenten das zunehmend erwarten. Insbesondere die neue
Generation legt Wert auf ein nachhaltiges Konsumkonzept.
Was sind Ihre weiteren Pläne?
Wir sind 2013 in Deutschland gestartet und haben das Geschäft auf den
DACH Markt ausgerollt, dort sind wir heute auch am stärksten. Dicht gefolgt
von Italien, UK, Holland und Belgien. Viele dieser Märkte sind noch recht
jung, aber wir sehen, dass das Konzept sehr gut angenommen wird. Darüber
hinaus verkaufen Kunden aus 29 Ländern auf rebelle.com und wir verschicken
Produkte in über 40 Länder. Unser Ziel ist es, dort noch stärker zu werden
und unsere Bekanntheit weiter auszubauen. Auch eine weitere Expansion in
Europa und in den Osten ist ein Ziel.
Denken Sie auch darüber nach, eigene offline Second-Hand Läden zu
eröffnen?
Nein, das steht momentan nicht auf der Agenda. Wir hatten 2017 für
einige Monate eine sehr erfolgreiche Pop-up Boutique auf dem Hamburger
Neuen Wall. Aber eigene Läden stellen vor allem hinsichtlich ihrer
Echtzeit-Anbindung an den Onlinestore eine große Herausforderung dar. Jetzt
möchten wir uns erst einmal auf noch mehr Partnerschaften mit dem
stationären Handel konzentrieren.
Fotos: Rebelle