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RFID: So schreitet die Digitalisierung des Handels voran

INTERVEW Die RFID-Technologie
setzt sich immer weiter durch – vor allem im Modehandel. Das
niederländische Unternehmen Nedap gehört zu den weltweit führenden
Anbietern von RFID-basierten Einzelhandelslösungen. Zu den Kunden gehören
Adidas genauso wie Acne Studios und Superdry. Integriert in Etiketten oder
Hang-Tags, sind RFID-Chips die digitale Signatur eines jeden einzelnen
Produkts. Sie helfen Einzelhändlern, transparente Lieferketten aufzubauen,
Verluste dauerhaft zu verhindern, die Lagerbestände zu optimieren und die
Verwaltung des POS zu vereinfachen. Und natürlich: Umsätze zu steigern. Wie
das gehen soll, haben wir Tom Vieweger und Ilse Protsman von Nepap gefragt.

Die RFID-Technologie hält Einzug in viele Einzelhandelsbranchen. In
welchen Bereichen werden RFID-Chips besonders häufig genutzt?

Tom Vieweger: Wir sehen, dass RFID häufig in „Modeumgebungen“
eingesetzt wird, nämlich bei Kleidung, Schuhen und im Sport. Viele globale
Implementierungen zeigen, dass die Technologie vor allem von vertikal
integrierten Geschäftsmodellen genutzt wird, also Marken, die ihren
gesamten Produktlebenszyklus kontrollieren, einschließlich Produktion,
Logistik und Verkauf über verschiedene Kanäle.

Ilse Protsman: Schätzungen besagen, dass im letzten Jahr mehr als zehn
Milliarden Produkte mit RFID gekennzeichnet wurden – und es wird
prognostiziert, dass diese Zahl von Jahr zu Jahr deutlich steigen wird. Als
Folge einer wachsenden Zahl von Marken mit RFID-Sicherung sehen wir jetzt
auch eine große Bewegung bei der Einführung von RFID durch
Multibrand-Sporthändler.

Was sind die größten Bedenken, auf die Sie stoßen?

Ilse Protsman: Es gibt nicht mehr viele Bedenken. Nachdem wir vor etwa
einem Jahrzehnt eine Phase der Pionierarbeit erlebt haben, ist jetzt klar,
dass die Technologie funktioniert, und die Business Cases sind
nachgewiesen.

Tom Vieweger: Heutzutage bekommen wir viele Fragen von unseren Kunden
zu den Umweltauswirkungen von RFID-Etiketten, da sie einen winzigen Chip
und eine kleine Antenne enthalten. Gleichzeitig werden diese Materialien
auf ein Minimum reduziert, damit die Kunden sie mit dem normalen Abfall
entsorgen können. Die Produktionsmethoden werden immer nachhaltiger.
Schließlich gibt es ein überzeugendes Argument dafür, wie RFID den Marken
zu mehr Nachhaltigkeit verhilft: Die Auswirkungen einer hohen
Bestandsübersicht ermöglichen es ihnen, mit weniger Bestand mehr zu
verkaufen, zumal es nicht mehr notwendig ist, hohe Sicherheitsbestände zu
halten.

Die RFID-Technologie hilft also beim Abbau von Überbeständen?

Ilse Protsman: Ja, da Einzelhändler in der Regel wissen, dass ihre
Bestandsgenauigkeit gering ist, halten sie oft hohe Sicherheitsbestände in
ihren Geschäften. Diese Sicherheitsbestände werden genutzt, um die
Warenverfügbarkeit zu gewährleisten, auch wenn die Bestandsinformationen
falsch sein könnten.

Das Problem besteht jedoch darin, dass die Sicherheitsbestände die
tatsächliche Nachfrage erhöhen, und daher müssen diese Produkte reduziert
oder sogar am Ende der Saison in die Verkaufsstellen zurückgebracht werden,
um den Platz zu räumen. Hier soll RFID helfen, solche Verschwendung zu
vermeiden. Wenn die Bestandsinformationen korrekt sind und ein
Einzelhändler weiß, wo sich die Produkte befinden, braucht er solche
Sicherheitsbestände nicht.

Eine der größten Hürden bei der Entscheidung für RFID waren bisher die
Kosten. Hat sich das geändert oder wird der Nutzen immer deutlicher?

Tom Vieweger: Im Mode- und Bekleidungseinzelhandel gibt es derzeit
eine massive Welle der Einführung von RFID. Dieses Wachstum basiert in
erster Linie auf einem leicht zu erstellenden Business-Case: Die
Notwendigkeit genauer Bestandsdaten ist für die heutigen (Omnichannel-)
Einzelhändler von entscheidender Bedeutung; gleichzeitig sind die
Betriebskosten für den Einsatz von RFID aufgrund der niedrigeren Preise für
RFID-Tags, die jetzt bei etwa drei Eurocent pro Stück liegen, deutlich
gesunken. Wenn man bedenkt, dass der Preis noch vor fünf Jahren bei zehn
Eurocent lag, hat dies einen großen Unterschied gemacht und die
Wirtschaftlichkeit deutlich verbessert.

Ein wesentlicher Vorteil des Einsatzes von RFID ist die Schaffung von
Bestandstransparenz entlang der gesamten Lieferkette. RFID ermöglicht nicht
nur ein schnelles Scannen, sondern da jeder einzelne Artikel leicht
verfolgt und zurückverfolgt werden kann, kann die Lieferkette einer Marke
auf der Grundlage genauer Daten funktionieren.

Dies ist besonders wertvoll im Bekleidungsgeschäft mit seinen kurzen
Produktlebenszyklen, der hohen Saisonalität und der gegebenen
Farb-/Größenkomplexität. Um auf sich verändernde Anforderungen reagieren zu
können, müssen Marken und Einzelhändler den Fluss ihrer Produkte
vollständig verstehen.

Ein wichtiges Thema ist auch Diebstahl: Wie können Chips wirksam vor
Diebstahl schützen?

Tom Vieweger: Das Schöne an RFID ist, dass es sich um eine Technologie
mit einer Vielzahl von Funktionalitäten handelt. Wenn ein Produkt mit einem
RFID-Etikett ausgestattet ist, können Sie jede Bewegung lückenlos
registrieren – auch an den Ausgangstüren eines Geschäfts aus
Sicherheitsgründen. Man könnte argumentieren, dass das Sicherheitsetikett
„nur“ im Preisetikett ein schwächeres Sicherheitsniveau sein könnte.
Gleichzeitig bedeutet es jedoch, dass dann 100 Prozent der Artikel in einem
Geschäft gesichert sind. Das Sicherheitsniveau kann sich erhöhen, wenn sich
die Einzelhändler dafür entscheiden, den RFID-Chip in das Pflegeetikett
einzunähen.

Ilse Protsman: Wir stellen fest, dass sich die Diskussionen mit
unseren Kunden vor allem in der letzten Zeit verändert haben. Heutzutage
versuchen die Einzelhändler, neue Kundendienstleistungen wie Self-Checkout
oder mobile Kassen zu implementieren. In diesem Fall ermöglicht RFID
sicheres mobile Payment – entweder mit Hilfe von Mitarbeitern oder auf dem
mobilen Gerät der Kunden selbst.

Wie funktioniert die Deaktivierung des Chips beim Mobile Payment?

Tom Vieweger: Die Deaktivierung des RFID-Etiketts erfolgt in einer
Cloud-Datenbank, indem der Produktstatus von ‚unverkauft‘ auf ‚verkauft‘
geändert wird. Immer wenn ein Artikel den Laden unbezahlt verlässt, fragen
die RFID-basierten EAS-Antennen am Ausgang des Geschäfts die
Cloud-Datenbank ab und geben einen Alarm aus, wenn ein ‚unverkauftes‘
Produkt den Laden verlässt.

Haben Sie Beispiele, wo dies gut funktioniert?

Tom Vieweger: Wenn es um sichere mobile Kassen geht, sind wir an
verschiedenen Pilotprojekten beteiligt. Technisch gesehen gibt es keine
Probleme, aber die Einzelhändler testen die Akzeptanz solcher Dienste durch
ihre Kunden. Wir sehen, dass mobile Kassen vor allem in Asien heute zu
einem Standard-Service werden, und wir erwarten die gleiche Entwicklung
auch im Rest der Welt. Der Hauptvorteil besteht darin, dass die Menschen an
der Kasse nicht mehr in der Schlange warten müssen. Die Menschen bezahlen
mit ihrem Telefon und können den Laden einfach verlassen. Decathlon ist
hier ein gutes Beispiel.

Ilse Protsman: Ein weiterer Anwendungsfall für RFID ist die
Integration dieser Technologie an der Kasse. Anstelle des Scannens eines
Barcodes nach dem anderen, werden alle RFID-Etiketten auf einmal gelesen,
was die Geschwindigkeit an der Kasse deutlich erhöht.

RFID-Chips werden auch benötigt, um das stationäre Geschäft mit
digitaler Technologie auszustatten und mehr Service zu bieten, z.B.
Navigation im Geschäft, digitale Beratung in den Umkleideräumen usw. Wie
weit ist der Markt gekommen?

Ilse Protsman: Ich würde sagen, dass sich heutzutage wirklich alle
Einzelhändler intensiv über die Möglichkeiten zur Digitalisierung ihrer
Geschäfte Gedanken machen. Bei einer Vielzahl von Lösungen stellt sich die
Frage, wo sie anfangen sollen und wie sie eine schnelle Rendite erzielen
können.

Tom Vieweger: Was wir mit ihnen diskutieren, wenn es um RFID geht,
ist, die Grundlagen richtig zu machen: Die Sichtbarkeit der Bestände ist
die Grundlage für alle digitalen In-Store-Anwendungen. Als Einzelhändler
müssen Sie wissen, was Sie haben und was Sie brauchen, um den Kunden Waren
zur Verfügung zu stellen.

Ilse Protsman: Digitale Touchpoints wie Displays, Kioske im Laden oder
intelligente Spiegel haben eines gemeinsam – sie können nur dann für eine
Conversion sorgen, wenn die beworbenen Produkte tatsächlich verfügbar sind.
Die Bestandsinformationen über alle Systeme hinweg müssen genau und
konsistent sein. Nur dann sind die Conversion und eine hohe
Kundenzufriedenheit garantiert. Hier ermöglicht RFID eine hohe
Bestandsgenauigkeit.

Was sind die größten Fehler beim Einsatz von RFID?

Ilse Protsman: Vor etwa zehn Jahren gab es bereits einen ersten Hype
mit einigen RFID-Projekten, die vor allem von Technologie-Enthusiasten
angestoßen wurden. Diese Projekte litten jedoch unter einer übermäßigen
Komplexität und hochtechnisierten Prozessen. Es stellte sich heraus, dass
es schwierig war, einen Business Case zu finden, da die Skalierbarkeit von
kundenspezifischen Lösungen oft nicht gegeben ist.

Tom Vieweger: Folglich haben wir die Implementierungsprojekte mit
unseren Kunden nach unseren bewährten Leitprinzipien aufgestellt: Einfach
halten, stufenweiser Ansatz, klein anfangen, schnell skalieren. Wenn sich
eine digitale Anwendung als erfolgreich erwiesen hat, wird sie auf den Rest
der Geschäfte skaliert. Da sich Technologie, Verbrauchernachfrage und Markt
jedoch ständig ändern, ist es unerlässlich, ein hohes Maß an Agilität zu
erhalten, d.h. beispielsweise interne Barrieren kontinuierlich abzubauen.

Ilse Protsman: Letztlich stellen wir den Menschen in den Mittelpunkt.
Wir sind der Meinung, dass der Einsatz von RFID-Lösungen in den Geschäften
für das Personal, das sie bedient, Spaß machen sollte.

Wie lautet Ihre Prognose: Wo wird die Technologie in fünf Jahren
stehen?

Tom Vieweger: Der RFID-Markt ist unglaublich dynamisch. Wir sind
überzeugt, dass in fünf Jahren mehr als 50 Prozent der Modeprodukte mit
RFID Tags versehen sein werden. Auf technischer Seite werden immer mehr
Systeme miteinander verbunden sein, so dass alle Lagerbewegungen in
Echtzeit von der Produktionsquelle bis zum Kunden verfolgt werden können.

Fotos: Nedap

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