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Shopping nach dem Lockdown – macht bummeln mit Richtlinien Spaß?

Durch die Covid-19-Pandemie waren für eine lange Zeit Einkaufszentren
und -straßen wie leer gefegt. Statt mehrere Tüten im Slalom durch
entgegenkommende Passanten zu manövrieren, wurden diese bequem in den
digitalen Einkaufswagen gelegt und nachhause bestellt. Mittlerweile haben
die Geschäfte wieder auf, aber das Coronavirus ist immer noch im Umlauf und
das heißt, es müssen weiterhin Schutzmaßnahmen gegen die Ausbreitung der
Pandemie getroffen werden. Ist es das Wert unter diesen Umständen in der
‘City’ zu bummeln oder bleibt der virtuelle Einkauf Alltag? FashionUnited
hat sich im Amsterdamer Einkaufswahnsinn auf die Lauer gelegt und das
Habitat der Fashionistas erkundet.

Es ist ein regnerischer Tag in der niederländischen Hauptstadt, doch
auch das schlechteste Wetter hält den hartgesottenen Shoppingfreund nicht
ab, seiner Leidenschaft nachzugehen. Auch immer mehr Touristen mischen sich
wieder ins Geschehen, um ihre heimischen Lieblingsstores nach dem
regionalen Sortiment zu erkunden. “Die Reise war ja eh schon gebucht”,
erzählten Urlauber FashionUnited.

Unter der Woche hält sich der Andrang noch in Grenzen, aber gerade am
Wochenende bilden sich die Schlangen vor den großen Einkaufshäusern und
Stores. Die aktuelle Einlasspolitik erinnert ein bisschen an Nachtclubs:
Ist der Laden voll, heißt es im dafür vorgesehenen Bereich Schlange stehen.
Da die meisten Einheimischen an Werktagen eher mit arbeiten beschäftigt
sind, sich soweit es geht aus dem Stadtkern fern halten und die Touristen,
auch durch Reiseverbote, noch nicht vollständig zurückgekehrt sind, ist
auch der Fluß an Menschen, der durch die Straßen strömt, eher ein ruhiges
Treiben statt einer reißenden Stromschnelle.

Trotz fehlender Massen sind die Einkaufsstraßen dennoch gut besucht und
es kehrt wieder ein gewisses Leben ein. Gegenüber der Gastronomie waren die
meisten Geschäfte in den Niederlanden zwar nie geschlossen, allerdings war
auch hier das oberste Gebot “Stay at home” und die Straßen waren, gerade zu
Beginn der Maßnahmen, deutlich leerer.

Das größere Interesse an einem Einkaufsbummel zeigt sich auch in
Deutschland, wie eine Umfrage des Instituts für Handelsforschung Köln zeigt: Die
Probanden wurden gefragt, ob sie Geschäfte nach der Wiederöffnung bereits
besucht haben. Zwischen Anfang Mai und Juni stieg die Antwort “Ja, aber nur
wenig” von 35 auf 60 Prozent.

Kleine Boutiquen: zu eng für sicheres Shoppen?

Doch führt der Weg ab von den großen Fußgängerzonen, sind die Straßen
auch jetzt noch deutlich leerer – viel weniger Menschen scheinen sich in
die kleinen Gassen, wo Boutiquen und weniger Ketten angesiedelt sind, zu
verirren. In den Negen Straatjes (dt. Neun Sträßchen), einem früheren
Geheimtipp für kleine unabhängige Geschäfte nicht weit der großen
Fußgängerzone Kalverstraat, sind normalerweise so viele Besucher, dass
nicht einmal die vielen Fahrräder eine Chance haben. Aktuell ist in “Amsterdams
typischste[r] Shoppinggegend”, so beschrieben vom Reiseführer Marco Polo,
eher ‘tote Hose’.

Foto: Die Schlange vor dem Brandy Melville Store in der
Leidsestraat,
Amsterdam

Kleine Stores bedeuten auch weniger Platz und Kapazitäten, weshalb in
vielen dieser Geschäfte nur zwei bis vier Kunden zugelassen werden. Das
scheint das Publikum etwas abzuschrecken und nur wenige trauen sich ins
Innere. Dazu kommt noch, dass einige von ihnen noch geschlossen haben und
sofern vorhanden auf ihren Onlineshop verweisen. Dabei gibt es allerdings
eine Ausnahme – Brandy Melville. Die italienische Marke scheint gerade der
Hotspot für Teenager-Mädchen zu sein. Egal bei welchem Wetter bildet sich
vor dem kleinen Store auf der Amsterdamer Leidsestraat eine Schlange von
kaufwütigen Nachwuchsbloggerinnen, die sich auch nicht von einer Pandemie
aufhalten lassen den Stil ihrer Idole nach zu shoppen. Das Kaufverhalten
spiegelt auch die Umsatzentwicklung der verschiedenen Modesegmente wider –
die Sparte Young Fashion kam bisher eher glimpflich durch
die Coronavirus-Pandemie.

Chaos im Umkleideraum

Ist anprobieren im Laden möglich und wie werden die Kleidungsstücken
danach gereinigt? Eine universelle Antwort gibt es auf diese Frage nicht
und jedes Geschäft scheint seinem eigenen Ansatz zu folgen – die Verwirrung
ist also groß: Anprobieren oder auf gut Glück kaufen?

Foto:
Hugo Boss Store in der Leidsestraat, Amsterdam

Im höheren Preissegment scheint es grundsätzlich kein Problem zu sein
die auserwählten Stücke anzuprobieren. Der Einkauf bei Hugo Boss wirkt fast
schon normal und wenn die getragenen Sachen nicht gefallen, werden sie vor
dem nächsten Kunden mit einer Dampfbügelstation gereinigt und dann geht es
wieder auf die Stange.

Foto:
Topshop Store in der Kalverstraat, Amsterdam

Beim Fast-fashion-Anbieter Topshop sind die Auflagen schon etwas
strenger: Hier bekommt der Kunde im Eingangsbereich eine Art Brillenetui in
die Hand gedrückt, das dieser bis zur Anprobe mit sich rumschleppt, erst
dann wird das Kärtchen mit der Anzahl der mitgebrachten Kleidungsstücke
hineingesteckt. Außerdem ist die Anprobe nur in einem gewissen
Umkleidebereich möglich, der speziell hergerichtet wurde – in der großen
Kabine erwartet den Kunden nur ein Spiegel und eine Kleiderstange – die
anderen Umkleiden sind geschlossen. Vor der Umkleide erwartet einen schon
Personal, das den genauen Platz der nicht gewünschten Stücke, nach der
Anprobe, aufzeigt. Das passiert, damit die Mitarbeiter die Kleidung nicht
anfassen müssen, bis sie nach 24 Stunden wieder ins Sortiment zurückkehrt.
Die schnelle Anprobe im Laden vor einem Spiegel ist daher auch strengstens
untersagt.

Bei Arket dagegen ist die Anprobe erst in den eigenen vier Wänden
möglich. Das nachhaltige Konzept der H&M-Gruppe hat seine Kabinen
verriegelt und wirbt stattdessen mit einer 100-tägigen Rückgabegarantie.

Foto: Arket Store auf dem Koningsplein, Amsterdam

Im Bereich der Second Hand Mode scheint das Pandemie-Thema nicht
wirklich Einfluss zu haben: So findet der Markt an der Waterlooplein wie
üblich und ohne wirkliche Einschränkungen statt. Aber auch in den Stores,
die mit getragener Kleidung handeln, ist kein großer Unterschied zu
erkennen. Bei Episode, einer Kette die in mehreren europäischen Städten
vertreten ist, benötigt der Einkäufer lediglich ein Körbchen und der
Verkäufer befindet sich wie im Supermarkt

hinter einer Plastikscheibe. Um anprobierte Kleidungsstücke scheint sich
das Personal aber nicht besonders zu kümmern. Sicherheit scheint hier eher
beim neuen Trendthema ‘Mundschutz’ eine Rolle zu spielen – schon im
Schaufenster tragen die Mannequins den sogenannten Mund- Nasenschutz und
passend zu einigen Hosen gibt es im gleichen Stoff Masken.

Foto: Episode Store auf dem Waterlooplein, Amsterdam

Mundschutz

Das It-Peace dieses Jahr scheint auf jeden Fall der Mundschutz zu sein.
Seit dem 1. Juni muss dieser auch in den Niederlanden in den öffentlichen
Verkehrsmitteln getragen werden und auf einmal kommen Pop-up-Stores aus dem
Boden geschossen, wie einst Bubbletea-Läden oder Nagelstudios. Besonders
auffällig ist dabei die Bahnhofsnähe – in der eigenen Shopping Mall des
Amsterdamer Hauptbahnhofs reihen sich die kleinen Stores, die zum Teil
ausschließlich “Mondkapjes” an den Reisenden bringen.

Shopping-Spaß oder volles Maß?

Auch wenn einen vielerlei Stores schon im Schaufenster mit einem großen
“Welcome back” begrüßen, fühlt sich das Einkaufserlebnis doch nicht so
herzlich an. Zwar wartet an den meisten Eingängen direkt ein freundlich
bemühter Mitarbeiter, der einem die besonderen Maßnahmen erklärt, aber oft
geht es nur darum, dass sich die Kunden die Hände desinfizieren. Dieser
Prozess wiederholt sich wieder und wieder, sodass sich nach fünf besuchten
Geschäften schon ein Reinigungsfilm auf den Händen bildet. Natürlich ist es
wichtig, Maßnahmen gegen die Ausbreitung des Coronavirus vorzunehmen, aber
dieser Desinfektionszwang, ist in etwa so, als würde man zuhause Gäste,
direkt nachdem sie die Wohnungstür passiert haben, dazu auffordern sich die
Hände zu waschen. Wenn dann noch die Mundschutzpflicht in Geschäften, wie
in Deutschland, dazu kommt, läuft das Maß über und es macht einfach keinen Spaß mehr
Dann doch lieber zuhause bleiben, online shoppen und fürs
‘Feeling’ die lokale Livecam der Einkaufsstraße streamen, wie hier vom
Amsterdamer ‘Dam’.

Foto: FashionUnited

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