Wenn es einen Trend gibt, auf den sich alle in der Modebranche derzeit
einigen können, dann ist es Nachhaltigkeit. Trotzdem oder gerade deshalb
gibt es immer noch Lücken in diesem schnell wachsenden Segment. Eine davon
will Bernd Keller – früher Designer und Manager bei deutschen Modekonzernen
wie Adidas, Hugo Boss und zuletzt Marc O’Polo – mit seinem neuen Label True
Standard füllen.
Bei seinen vergangenen Stationen in der Modebranche hat er bei Kunden
und zunehmends auch Modehändlern die steigende Nachfrage nach nachhaltiger
Kleidung beobachtet und in welchen Bereichen es noch Bedarf gibt. Zur Zeit
gebe es ökologisch und fair produzierte Kleidung vor allem bei Basics wie
T-Shirts und Hoodies, auch von Sportartikelherstellern, aber nur vereinzelt
im Premium- oder Luxussegment, erzählte Keller telefonisch. “Die
Kombination Fashion, Premium und Nachhaltigkeit ist im Moment noch eine
Nische auf dem Markt.”
Genau hier setzt sein neues Label an, das er im Premium-Contemporary
Segment ansiedelt. Selbstverständlich und alterslos möchte die Linie für
anspruchsvolle, modische Frauen und Männer sein. Nur die Passformen, wie
Ärmellängen, sind auf eine Altersgruppe ab 45 Jahren zugeschnitten. Daneben
ist das Produkt auch innovativ, sagt Keller, und meint damit nachhaltig.
Onlineshop startet im September
“Für uns ist es wichtig ein Produkt zu haben, das erst einmal nicht
über die Nachhaltigkeit punktet, sondern über die Qualität, Materialien,
Wertigkeit und Stil”, erzählt er. Die Key-Pieces sind komfortable und
lässige Travel-Items aus Jersey und Strick.
Das in einer alten Bamberger Spinnerei, auf 640 Quadratmetern
beheimatete Label True Standard startete im Januar. Das Konzept trug Bernd
Keller bereits seit Juli vergangenen Jahres im Kopf. Rund zehn Mitarbeiter
arbeiten nun an dem Label. Um den Vertrieb in Europa kümmert sich die
neugegründete Agentur True Agents.
In diesen Wochen reisen die Vertriebsmitarbeiter zu den Kunden und
führen die entscheidenden Gespräche. Danach wird klarer, welche Modehändler
die erste Frühjahr/Sommer 2020 Kollektion ordern werden.
Es gibt je 80 Styles für Damen und Herren; zwei Liefertermine zum
Februar und April. Die Retailpreise liegen bei: 179-199 Euro für
Strickwaren, 179 Euro für Hosen und T-Shirts beginnen bei 69 Euro aufwärts.
Als Vorgeschmack gibt es jeweils acht Teile für Frauen und Männer, die im
eigenen Onlineshop ab September angeboten werden.
Eigene stationäre Läden plant Keller nicht, er ist bereits in
Gesprächen mit Kaufhäusern und lokalen “Platzhirschen” und konzentriert
sich für die erste Kollektion auf den deutschen Markt, bisher seien die
Reaktionen positiv gewesen. Wenn sich diese Resonanz fortsetzt, könnte
Keller auch Geldgeber brauchen um mit seinem Projekt zu wachsen.
“Ich bin im Moment offen mit dem Thema Investoren und bin bereits im
Gespräch”, sagte er. Aber gleichzeitig betont er, dass er alles Schritt für
Schritt angehen will, gerade auch wenn es um die nachhaltigen Aspekte des
Labels geht.
Was bedeutet Nachhaltigkeit bei True Standard?
“Das perfekte Produkt gibt es nicht. Man muss sich auf den Weg machen.
Wir gliedern das in vier Bereiche und schauen, inwieweit wir im Idealfall
alle Aspekte in so vielen Produkten wie möglich integrieren können”,
erzählte Keller.
Das heißt ein Produkt ist entweder vegan, recycelt, lokal in
Deutschland produziert oder organic. Dabei bedeutet organic beispielsweise,
dass das Kleidungsstück mit dem Global Textile Organic Standard (GOTS)
zertifiziert ist. “Diese vier Säulen pflegen wir, es gibt kein Produkt, das
keine Geschichte erzählen kann”, erklärte Keller.
Diese Herangehensweise ist geschickt. Zum einen löst es das Problem,
dass ein junges Label beim Erfüllen von komplexen Nachhaltigkeitstandards
anfangs haben kann, wie Zertifizierungen und das langwierige Aufbauen von Beziehungen
mit den passenden Lieferanten zu den höchsten Standards für Materialien und Produktionsweisen; zum anderen bietet der Ansatz auch Geschichten für den
Kunden, Verkaufsargumente. Wer möchte nicht, dass ein Pullover, der
gefällt, auch ökologisch ist?
Und Bernd Keller weiß auch, dass es nicht bei den nachhaltigen
Standards bleiben wird, die sein Label heute erreicht: “Ich hänge das Level
dort auf, wo ich es erreichen kann und kann von dort aus immer besser
werden.” Schließlich ist der wahre Standard, nie mit dem Versuch nachhaltiger zu werden, aufzuhören.
Bild: True Standard | Fotografin Julia Haack