Fashion Council Germany fordert Nothilfe von der Bundesregierung

Forderungen der deutschen Modebranche zu Nothilfemaßnahmen zur Abwendung tiefgreifender struktureller Schäden in Folge der Vorsichtsmaßnahmen gegen die Ausbreitung des neuartigen Coronavirus Sars-CoV-2:

Grundlage

In Anbetracht der aktuellen Gesundheitslage (Verbreitung, Folgen und Schutzmaßnahmen von Covid-19) und den bereits messbaren wie auch prognostizierten Auswirkungen auf die deutsche Wirtschaft, hat der Fashion Council Germany e.V. (künftig kurz „FCG“) die vorliegende Bedarfsanalyse erstellt.

Der Fashion Council Germany e.V. hat dieses Dokument in einem Schreiben an das Bundeskanzleramt, dem Bundeswirtschafts- und dem Bundesfinanzministerium vorgelegt.

Wir schließen uns den zahlreichen Stimmen anderer Branchenverbände und Markengruppierungen an – und möchten kooperativ die negativen Auswirkungen der Krise abwenden. Insbesondere durch die Beteiligung der FCG-Mitglieder in einer umfassenden Befragung werden die Bedürfnisse der gesamtdeutschen Modeindustrie berücksichtigt. Die Mitgliederstruktur des FCG ist ein Querschnitt der deutschen Modeindustrie mit Unternehmen aus folgenden drei Bereichen: herstellende und vertreibende Mode-, Einzelhandels- und Zuliefererunternehmen sowie Messeveranstalter und Verlagshäuser. Unser Anliegen ist es dabei insbesondere Jungdesigner und kleine Unternehmen zu berücksichtigen und zu Zeiten der Krise verstärkt zu unterstützen.

Die globale Wirtschaftskrise, welche sich auf Basis der Pandemie etablieren wird, wird künftig eine Bandbreite an bislang unvorhersehbaren wie auch unumgänglichen Folgen für die deutsche Modeindustrie mit sich führen.

Diese werden sich auf das Beschäftigungsniveau und die Wirtschaftsleistung auch über die direkte Krise hinaus insbesondere auf kleine und mittelständische Unternehmen auswirken. Eine nicht mehr abwendbare Insolvenzwelle unvorstellbaren Ausmaßes steht der Branche bevor. Und dem gilt es mit vereinten Kräften entgegen zu wirken.

Die deutsche Modeindustrie wird nicht nur von global agierenden Unternehmen (z.B. internationale Sportartikelhersteller) und Konzernen geprägt, sondern auch und insbesondere von mittelständischen und inhabergeführten Betrieben.

Da sich die Mode um eine sogenannte Querschnittsbranche handelt, die sich aus einer Vielzahl von Teilbranchen zusammensetzt (nicht nur aus herstellenden und vertreibenden, sondern auch aus weiteren Satellitenindustrien wie etwa Schuhen, Accessoires, Kosmetik, Handel, Textil, Zutaten, Messen, Veranstaltungen, Agenturen, Logistik, Mode- und Fachzeitschriften) und diese Teilbranchen wiederum stark miteinander verflochten sind, ist deren kollektive Tragweite der notwendigen staatlichen Unterstützung groß.

Gesamtwirtschaftlich betrachtet sind die aktuellen und künftigen Bedürfnisse der Unterstützung der deutschen Wirtschaft branchenübergreifend im Kern identisch. Jedoch hat jede Branche auch individuelle Herausforderungen, denen sie sich stellen muss, um sich künftig behaupten zu können. Diese möchte die Bedarfsanalyse des FCG näher betrachten:

Ziel

Ziel dieser Analyse ist es, Bund und Land konkrete Vorschläge für Branchenmaßnahmen zur Unterstützung der deutschen Modeindustrie vorzuschlagen.

Situation

Die deutsche Modeindustrie steht vor einer noch nie dagewesenen Herausforderung in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland.

Die Akteure der deutschen Modeindustrie (u.a. Hersteller und Zulieferer, herstellende und vertreibende Modeunternehmen, junge Brands und freischaffende Mode- und Textildesigner, Einzelhändler und Onlinehändler, Mode- und Textilmessen, Verlagshäuser mit Modetiteln, Vertriebs- und Presseagenturen, Modefotografen, Stylisten, Haar- und Make-up-Artisten, unterstützende Agenturen etc. pp.) erleben aufgrund der Krise massive Umsatzeinbrüche, welche in einem erheblichen Beschäftigungsrückgang resultieren. Etablierte wie auch junge Unternehmen stehen daher vor einer Vielzahl an Herausforderungen:

  • Aktuelle Produktionen stehen still oder sind deutlich verlangsamt, meist aufgrund von fehlender Zulieferung oder anderen vorgelagerten Lieferketten. Vor allem internationale Lieferketten werden durch unterschiedliche lokale Situationen und Probleme stark beeinflusst. Dies führt zu Verzögerungen Kunden beliefern zu können oder gar zum totalen Ausfall.
  • Neue Kollektionsentwicklungen sind erschwert oder sogar unmöglich, denn benötigte Materialien, Ressourcen, Personal (Produktmusterungen meist klassisch handwerklich) und/oder Dienstleister sowie Zulieferer stehen nicht wie gewohnt zur Verfügung.
  • Der Textileinzelhandel ist derzeit flächendeckend geschlossen. Ein Ende ist nicht in unmittelbarer Sicht. Der Distributionszyklus ist dadurch deutlich gestört. Der Lagerbestand der Einzelhändler ist hoch und es besteht keine unmittelbare Möglichkeit des Abverkaufs.
  • Bestellungen werden bei Lieferanten (Brands) storniert und wertvolle Nachbestellungen mit Zugriff auf Sofortartikel bleiben aus.
  • eCommerce (eigenständige Onlineshopanbieter oder vom Textileinzelhandel geführte Shops) fängt den Umsatzeinbruch des stationären Handels nicht auf. Für Marken ohne Onlinepräsenz und -Stores gibt es keinerlei Umsatzmöglichkeiten während der Krise.
  • Lagerbestände können sowohl im Einzelhandel als auch bei Lieferanten (Brands) nicht wie geplant abgebaut werden. Der Warenbestand ist deutlich höher als von der Branche handelbar. Kollektionen, die aktuell im Einzelhandel hängen, können im Sommer kaum noch verkauft werden. Es ist zu beachten, dass die Modeindustrie in ihrer derzeitigen Dynamik durch saisonale (von zwei bis hin zu zwölf Mal jährlich) Produkte und Auslieferungen geprägt ist.
  • Kaufverhalten und Kaufkraft der Endkonsumenten ist stark rückläufig. Konsumenten sparen und Haushaltseinkommen sind durch Kurzarbeit o.ä. reduziert.
  • Textil- und Modemessen, Verkaufsveranstaltungen, Showrooms etc. sind derzeit nicht möglich. Unsicherheiten über weitere Entwicklungen verhindern planbare Distributionsstrategien.
  • Direkt aber auch indirekt involvierte Unternehmen und Freiberufler*innen sind wirtschaftliche Opfer der Krise geworden
  • hierzu zählen etwa Vertriebs- und Presseagenturen sowie Haar- und Make-up-Artisten.
  • Jungen Designern geht das Geld aus. Die meisten Verträge zwischen Einzelhändlern und (primär) kleineren Brands sind so aufgesetzt, dass bei nicht pünktlicher Lieferung (innerhalb von 30 Tagen) die Annahme und folglich die Zahlung verweigert werden kann. Diese birgt ein hohes, existenzielles Risiko für junge, aufstrebende Marken, die für unsere Kreativwirtschaft unabdingbar sind.
  • Herstellende und vertreibende Branchenunternehmen haben üblicherweise einen starken Vorfinanzierungsbedarf. Klassische Instrumente bedürfen Sicherheiten, welche aktuell nicht geleistet werden können.
  • Es herrscht eine pessimistische Grundstimmung, die die Branche in einen Zirkelschluss bringt. Es bedarf dem aktiven Entgegenwirken dieses negativen Kreislaufs.
    Forderungen
    Bereits angekündigte oder auch schon eingeführte neue Förderinstrumente sowie die Senkung der Zugänglichkeit existierender Formate, bilden derzeit einen nicht unerheblichen Einfluss die Branche aus der Krise zu führen.
    Aus Sicht des FCG bedarf es bereits jetzt einer Ergänzung und Verlängerung
    folgender Maßnahmen:
  • Die bereits gelockerte Möglichkeit der Kurzarbeit ist unumgänglich, um Arbeitsplätze zu erhalten.
  • Direktzuschüsse sind ein wichtiges Instrument für deutsche Unternehmen, Kleinunternehmer und Solo-Selbständige. Dies sollte auch für Unternehmungen gelten, die auch weniger als drei Jahre existieren und derzeit durch die Coronakrise in eine wirtschaftliche Schieflage geraten. Eine Erhöhung bzw. Verlängerung der Direktzuschüsse sollte als Branchenunterstützung geplant werden.
  • Flexible zinslose Bürgschaften und Finanzierungsmodelle unterstützen die Branche, um Projekte und Produktionen nicht zu gefährden. Eine Erhöhung der Zahlungsziele an den Einzelhandel würde dabei beispielsweise eine deutliche Entlastung mit sich führen. Diese sollte durch Bürgschaften oder ähnliche Instrumente gesichert werden. Gegebenenfalls ist dies auch ein Instrument zur Prävention von frühzeitigen Rabattaktionen.
  • Bürgschaften und weitere Instrumente zur Vorfinanzierung der Produktion und somit der Schließung von Finanzierungslücken sollte ergänzend zur „Zahlungsziel Bürgschaft“ eingeführt werden.
  • Der Ruf nach einer Förderung von regional hergestellten Produkten innerhalb der Modebranche steigt. Vor allem in Krisenzeiten ist eine Regionalität zur Unterstützung der vertreibenden und herstellenden Unternehmen von hoher Relevanz und sollte durch steuerliche Anreize für die Produktion von Produkten „Made in Germany“ gefördert werden.
  • Steuerstundungen sollten kurzfristig bewilligt werden sofern Antragssteller von der Krise betroffen sind und dies unbürokratisch darstellen kann.
  • Eine Senkung der Steuer- und Sozialversicherungsbelastung würde Personalkosten reduzieren und Unternehmen zusätzlich unterstützen – auch bei einer Steigerung der Beschäftigung in der zweiten Jahreshälfte ist eine Entlastung zur Senkung der wirtschaftlichen Schäden unabdingbar.
  • Das Aussetzen bzw. die Stundung von Mietzahlungen sollte mietrechtlich in der Krisenzeit akzeptabel sein und durch Bankbürgschaften, oder nachgelagerte Instrumente möglich gemacht werden. Der stationäre Textileinzelhandel leidet durch nicht angepasste Kostenstrukturen gepaart mit dem deutlichen Einbruch der Umsätze.
  • Die staatlichen Instrumente zur Förderung der wirtschaftlichen
    Situation sollten einheitlich transparent und zugänglich gemacht werden, um ein schnelles und vereinfachtes Antragsverfahren zu gewährleisten.
  • Beschleunigte bzw. einfache Zahlungsmodalitäten der öffentlichen Gelder sollten in Kraft treten. Die Branche benötigt schnelle und unbürokratische Auszahlungen der zugesagten Finanzmittel.
  • Die Fristen zur Einreichung der Jahresabschlüsse und Steuererklärungen sollten gelockert werden, denn es wird nicht mit einer unmittelbaren Verbesserung der wirtschaftlichen Situation der Branche gerechnet.
  • Herabsetzung der Abschläge für die Künstlersozialkasse.
  • Mode- und Textilmessen bzw. Standorte sollten durch finanzielle Unterstützung Facheinkäufer und Medien aktivieren können.
  • Nach Bewältigung der direkten und unmittelbaren Krisensituation sollten Bund und Länder zusätzlich neue Förderprogramme zur Vermarktung und Promotion der deutschen Mode- und Textilindustrie erhalten. Möglich wäre dies beispielsweise in Form von flexiblen Markterschließungsprogrammen sowie neuen Präsentations- und Promotionsformaten.

Weitergehende Ideen

Aus der aktuellen Krise hervorgehend muss die Modebranche sich zeitnah formieren, um systemrelevante Mechanismen zu hinterfragen:

Welche Wertigkeit hat die Modebranche auf die deutsche Volkswirtschaft?
Sind gelernte Saison-Rhythmen und Auslieferungsfenster zeitgemäß?
Wie lassen sich Rabattschlachten im Sinne der Branche positiv beeinflussen?
Welche Relevanz sollte „Made in Germany“ künftig einnehmen?

Es bedarf einer Plattform der Diskussion und Abstimmung, um die Branche zukunftsfähig mitzugestalten.

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Stand

Berlin, der 26. März 2020

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