Givn Berlin: „Wir machen uns keine Sorgen, dass die ganze nächste Generation bei uns shoppt“

Givn Berlin: „Wir machen uns keine Sorgen, dass die ganze nächste Generation bei uns shoppt“

INTERVIEW Immer auf der Suche
nach nachhaltigen Marken stieß FashionUnited auf das Berliner Fair
Fashion-Label Stoffbruch, das sich jüngst in Givn Berlin umbenannte. Seine
beiden Gründer, Moritz Biel und André Hoffmann, beschlossen im Jahr 2010,
ihren Traum wahr zu machen und sich von der klassischen Business-Welt zu
verabschieden, um ihr eigenes Modelabel zu gründen. Seitdem hat sich viel
getan und FashionUnited sprach mit Moritz Biel über die Entwicklung des
Labels, die Produktion in Europa und natürlich auch die Situation als
Modelabel in der Corona-Krise.

Givn Berlin: „Wir machen uns keine Sorgen, dass die ganze nächste Generation bei uns shoppt“

FashionUnited: Wie kam es zur Gründung von Stoffbruch?

Moritz Biel, Givn: Ich habe International Business studiert, dann für
Henkel gearbeitet. Im Konsumgütermarketing war ich viel auch Reisen, auch
in asiatische Länder. Ich wollte mich schon immer selbständig machen: Ich
mag beide Seiten, die Kreativität und die Wirtschaft, ich mag mit einem
Produkt arbeiten, wo ein Handwerk dahintersteckt. Ich habe dann ein
Praktikum bei einem Label gemacht und sollte einen Pop-up Store aufbauen.
Da habe ich André kennengelernt und wir haben bald festgestellt, das wir
viele gemeinsame Idee hatten und mit eigenen Wertevorstellungen arbeiten
wollten.

Stoffbruch hat sich dann Schritt für Schritt entwickelt. Wir haben
zunächst in Berlin genäht und nachhaltige Materialien waren dann die
natürliche Ausweitung. Erst haben wir mit einer Agentur zusammengearbeitet,
um Produktionsbetriebe zu finden, haben aber dann eine Empfehlung von einem
anderen Label in Berlin bekommen; hier besteht ein gutes Netzwerk. Auf der
deutsch-polnischen Produzentenmesse haben wir dann einen unserer
derzeitigen Betriebe kennengelernt, mit dem wir seit 2014 zusammenarbeiten.
Mit dem zweiten Betrieb besteht die Zusammenarbeit seit einem Jahr und in
Litauen schon einige Jahre.

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Wie oft besucht ihr die Produktionsstätten?

Normalerweise fahren wir zweimal im Jahr hin und tauschen uns mit den
Betrieben aus. Hier kommt uns die Nähe durch die Produktion in Europa
zugute; alle Betriebe sind nur vier bis fünf Stunden entfernt. Insgesamt
ist die Beziehung sehr partnerschaftlich. Es treten Lerneffekte auf und es
zeigt sich, dass es gut ist, länger zusammenzuarbeiten, damit sich alles
einspielt. Es funktioniert schon gut. Jetzt durch die Krise ist natürlich
alles etwas anders, aber auch hier zeigt sich der Vorteil kurzer Wege, was
mehr Flexibilität bedeutet. Zudem haben wir durchweg gute
Arbeitsverhältnisse und sehr familienfreundliche Arbeitszeitmodelle. Es
wird sogar Betriebssport gemacht.

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Wie ist eure Situation derzeit in der Krise?

Es zeigt sich alles von Tag zu Tag. Unsere erste Priorität ist derzeit
die Umsatzseite und der Kontakt mit den Kunden. Wir haben alle Kunden
kontaktiert und über unsere Lage informiert.

Jetzt geht es auch um die Lieferkette, Beschaffung und Produktion. In allen
Betrieben wird noch gearbeitet, jedoch mit weniger Personal und beide
Betriebe nähen jetzt auch Gesichtsmasken.

Uns kommt zugute, dass die Produktion lokal ist. Auch die
Stoffproduktion ist noch in Europa oder in der Türkei. Alles läuft deshalb
noch, zwar langsamer, aber es läuft. Wir sind auch relativ schnell aktiv
geworden und haben vor zwei Wochen eine Mail an alle Kunden geschickt, in
denen wir 30 Tage Valuta einräumen und betonen, alles gemeinsam anzugehen
sowie Einzellösungen zusammen mit dem Betriebsteam finden. Wir räumen auch
Zahlungserleichterungen ein und stellen Zahlungspläne auf.

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Wie sieht es mit Bestellungen aus?

Die Konsumenten sind schon zu Hause, aber sie haben noch keine
Konsumlaune. Vor zwei Wochen war es schon sehr ruhig. Letztlich wird die
Corona-Krise die Tendenz zum Onlinehandel verstärken. Dies ist ein Trend,
der sich schon abzeichnete, aber jetzt wird er beschleunigt. Viele Marken
und Händler werden jetzt kreativ.

Der Onlinehandel ist auch bei Givn Thema für dieses Jahres. Diesen
auszubauen ist geplant, inwieweit hängt jetzt jedoch von der Förderung vom
Staat ab. Der stationäre Handel ist auf jeden Fall auch notwendig, deshalb
haben wir auch unseren eigenen Store in Berlin in Friedrichshain. Das
bedeutet einfach Mehrwert für die Kunden.

Wird Nachhaltigkeit verlangt? Werden Verbraucher künftig mehr nach
nachhaltiger, fair produzierter Mode suchen?

Nachhaltigkeit ist mehr gefragt, bei den Endkunden auf jeden Fall.
Deshalb läuft es auch gerade bei uns sehr gut, bis eben jetzt die
Unterbrechung kam. Aber Nachhaltigkeit ist generell gerade auch in unserem
Bereich gefragt, im mittleren Preissegment, da sind wir
wettbewerbsfähig.

Das Gute ist, dass wir alle Altersschichten unter unseren Kunden
beobachten können, zum Beispiel kommen auch Schüler in unseren Laden in
Berlin. Fridays for Future hat auch viel dazu beigetragen, dass
Nachhaltigkeit gefragter ist. Ich mach mir deshalb keine Sorgen, dass die
ganze nächste Generation bei uns shoppt.

Das zeigen auch die Zahlen, aber trotzdem sind wir immer noch in der
Nische. Wir sind natürlich auf Messen wie der Premium und Neonyt unterwegs
und haben mehr Interesse verzeichnet. Die Neonyt ist zudem explodiert und
zieht mehr Interessenten an. Die Großen wie Breuninger, Galeries Lafayette
und Zalando waren alle bei uns am Stand, viele warten jedoch noch, bevor
sie sich für ein nachhaltiges Label entscheiden.

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Ihr verwendet Materialien wie Biobaumwolle, Tencel, Lyocell, recycelte
Baumwolle und Leinen. Wie hat sich das entwickelt?

Wir haben derzeit vier Kollektionen überhaupt und bieten zwei
Kollektionen pro Jahr an. Vor fünf Jahren haben wir auf nachhaltige
Materialien umgestellt und das dann Schritt für Schritt aufgebaut. Es hat
sich viel getan und es gibt immer mehr Auswahl. Ecovero zum Beispiel wird
sehr gut angenommen. Allgemein werden nachhaltige Materialien stärker
nachgefragt; die Kunden sind immer informierter.

Viel Erklärungsbedarf ist jedoch auch noch da, deshalb geben wir auch
Schulungen, etwa im Fachgeschäft Zeitzeichen in Würzburg. Darin geht es
etwa um ‘Was ist Biobaumwolle, Tencel?’, wir informieren auch über unsere
Produktionsstätten, für die eine GOTS-Zertifizierung geplant ist.

Zu guter Letzt: Wie kam es zur Namensänderung? Stoffbruch ist jetzt
Givn Berlin.

Ja, Re-Branding ist bei uns das große Thema im Sommer: Das ergab sich
durch die Internationalisierung. Wir haben Kunden auch außerhalb des
deutschsprachigen Raums, etwa in Großbritannien und Skandinavien, da ist
Stoffbruch schwer auszusprechen.

Wie kamt ihr auf Givn?

Givn, weil es eigentlich gegeben sein sollte, dass alle fair und
nachhaltig arbeiten, und wir arbeiten gerade daran, diesen Wandel
mitzugestalten. Wir haben uns im Januar schon bei der Ordersaison mit dem
neuen Namen präsentiert und ab Juli dann auch bei den Endkunden.

Fotos: Givn Berlin

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