Anmut, Eleganz, Aura, Bewegung, die Suche nach Balance und Harmonie,
auch Rhythmus: Tanz und Couture pflegen eine starke Beziehung, die oft
durch groß angelegte Kooperationen zwischen einem Choreografen und einem
Couturier zum Ausdruck gebracht wurden. Einige dieser Kooperationen sind in
die Geschichte eingegangen: Gianni Versace und Maurice Béjart, Christian
Lacroix mit dem Ballett der Pariser Oper, Issey Miyake und William
Forsythe, Jean Paul Gaultier und Régine Chopinot, Walter Van Beirendonck
und der Star Marie-Agnès Gillot, Iris Van Herpen und Benjamin Millepied.
Schon dem Paris von 1910 erging es so: Die Ballets Russes begeisterten
damals nicht nur die Größen der Kreativszene, sondern trugen auch durch
ihre legendär gewordenen Performances zur Entstehung der Trends der
folgenden Jahrzehnte bei. Wir denken insbesondere an das von Cocteau
signierte Stück Train Bleu, für das Pablo Picasso das Set und Gabrielle
Chanel die Kostüme kreierte. Später, 1929, zeichnete die Couturière für die
Kostüme einer Neuauflage von Strawinskys „Appollon Musagete“ zu einer
Choreographie von George Balanchine verantwortlich. Es sei darauf
hingewiesen, dass diese Kollaborationen nicht nur professioneller Natur
waren: Chanel bezahlte die Beerdigung von Serge Diaghilev selbst. Insgesamt
sind sich die Historiker einig, dass die Ballets Russes ein „eminent
soziales Phänomen“ waren, das die Welt der Mode und des Kunsthandwerks in
vollem Umfang beeinflusst hat. In gewisser Weise, durch den ästhetischen
Schock, den sie erzeugten, durch den farbenfrohen Horizont, den sie
erweiterten, haben die Ballets Russes das Aufkommen des Art Deco-Stils
ausgelöst.
Karl Lagerfeld: „Für das klassisches Ballett zählt nur Perfektion”
In jüngster Zeit wurde die Freundschaft zwischen Ballett und Mode in
mehreren bedeutenden Auftritten bestätigt: Im vergangenen Juni belebte die
Startänzerin Svetlana Zakharova in einer neuen Show auf der Bühne des
Bolschoi-Theaters in Moskau eine majestätische und einsame Coco Chanel
wieder: 85 Kostüme wurden für diesen Anlass auf den exklusiven Zeichnungen
für diese Show kreiert. Im März zeigte Dior seine Liebe zum Ballett, indem
er die Kostüme für „Nuit Blanche“ entwarf, ein außergewöhnliches Ballett zu
Ehren des Musikers Philip Glass, das am Teatro dell’Opera präsentiert
wurde, für das Maria Grazia Chiuri mit den Werkstätten der Oper in Rom
zusammenarbeitete. Schließlich war Karl Lagerfeld immer wieder begeistert
von der Gestaltung von Kostümen für das Ballett: zum 100. Jahrestag der
Ballets Russes 2009, für Benjamin Millepied 2016, für Ohad Naharin 2018.
Besonders angetan in dieser Art von Arbeit, erklärte der Modeschöpfer: „Für
das klassisches Ballett zählt nur Perfektion.“
CNCS: Einige Kostüme werden zum ersten Mal in einer Institution
präsentiert
Mit der Ausstellung “Couturiers de la Danse” würdigt das Centre national
du costume de scène (CNCS) in Moulins diese renommierten Kooperationen. Vom
30. November 2019 bis 3. Mai 2020 wird das unter Denkmalschutz stehende
einzigartige Museum, das sich in einer ehemaligen Militärkaserne aus dem
18. Jahrhundert befindet, die Ausstellung beherbergen, die von Journalist
Philippe Noisette erdacht und von Architekt Marco Mencacci inszeniert wurde
und eine Auswahl von 120 sorgfältig ausgewählten Kostümen präsentieren
wird.
Am Eingang begrüßen die von Hervé Léger für “Rythme de Valse” kreierten
Kostüme, die von Roland Petit an der Pariser Oper eingesetzt wurden, den
Besucher. Im ersten Stock heben die ersten Schaukästen die Arbeit der
Couturiers an den Formen hervor. Dies sind vor allem die Werke von
Modedesignern, die vom kreativen Wahnsinn des frühen 20. Jahrhunderts
gepackt waren und von denen die Kostüme von Oskar Schlemmers Ballett als
Teil des Bauhauses das vielleicht köstlichste Beispiel sind. Auch die
Outfits von Jean Paul Gaultier, Viktor & Rolf (The Dutch National Ballet),
Gareth Pugh (The Royal Ballet) oder BodyMap, einem Label aus den 80er
Jahren, das der berühmte Komplize der Flüge von Michael Clark war, sind
ausgestellt.
Darüber hinaus bietet das Thema ‘Seconde Peau’ eine Reise ins Land des
Körpers, indem es die von Olivier Rousteing für Balmain entworfenen
Modelle, jene von Maia Grazia Chiuri für Christian Dior (dies ist das erste
Mal, dass diese Modelle in einer Institution ausgestellt wurden), aber auch
die überraschenden Kreationen von On aura tout vu und Adeline André zeigt.
Der dritte Teil der Ausstellung konzentriert sich auf die
Neuinterpretationen der Klassiker Tutu, Korsett und der Marinière aus den
Werkstätten der Ballets de Monte-Carlo oder der Opéra de Paris. Ein Blick
in die Geschichte der Tracht und des Tanzes, unterstützt von Karl
Lagerfeld, Yves Saint Laurent, Sylvie Skinazi, Jean Paul Gaultier und
Christian Lacroix.
Das vierte Thema ist auf Materialien ausgerichtet: eine Erforschung von
Stoffen, die von Iris Van Herpen oder Hussein Chalayan entworfen wurden.
Ihre Arbeiten stehen in einer direkten Linie mit dem Erbe von Gabrielle
Chanel, die die ersten Tänzerinnen und Tänzer von Les Ballets Russes für
das Stück Le Train Bleu in Jersey kleidete. Um Issey Miyake zu würdigen,
hat der amerikanische Choreograf William Forsythe für die Ausstellung eine
Auswahl von Kostümen des japanischen Meisters zur Verfügung gestellt.
Schließlich endet die Ausstellung mit einem „Coup de théâtre“ mit einem
Duo, das in seinem Reichtum und seiner Langlebigkeit einzigartig ist. Die
Zusammenarbeit zwischen Maurice Béjart und Gianni Versace erstreckt sich
über ein Dutzend Ballettinszenierungen und ist bis heute eines der
berühmtesten. Der Besucher kann einige der großen Rollen finden, die Béjart
in Stücken wie Pyramide – El Nour oder Souvenirs de Leningrad verkörpert
hat. Ganz zu schweigen von dem berühmten Kleid, das von Versace für Sylvie
Guillem im Ballett Sissi, der anarchistischen Kaiserin, entworfen wurde.
Unverwechselbar.
Foto: © CNCS / Florent Giffard, © CNCS,Dior © J Benhamou
Dieser Artikel wurde zuvor auf FashionUnited.uk veröffentlicht.
Übersetzung und Bearbeitung: Barbara Russ