Monatelang drehte sich der
Brexit-Streit fast nur um die Frage, wie eine harte Grenze auf der
irischen Insel vermieden werden kann. Dazu gibt es seit Donnerstag
eine neue Vereinbarung zwischen der Europäischen Union und
Großbritannien. Aber das ist nur eine kurze Passage in dem knapp 600
Seiten starken Scheidungsvertrag. Der regelt im Detail Dutzende von
möglichen Streitfragen und könnte im Alltag für Millionen Menschen
wichtig werden – wenn er denn ratifiziert wird und in Kraft tritt.
Was bedeutet der Vertrag…
… für Bürger und Unternehmen?
Zentral ist die vereinbarte Übergangsphase: Nach dem Austritt
soll sich bis mindestens Ende 2020 an den äußeren Bedingen erstmal
nichts ändern. Großbritannien bleibt im EU-Binnenmarkt und in der
Europäischen Zollunion, alle EU-Regeln gelten weiter, es gibt keine
Zollkontrollen oder Einfuhrbeschränkungen. Da Großbritannien nach dem
Austritt offiziell Drittstaat ist, darf es in Brüssel nicht mehr
mitbestimmen. Neue EU-Regeln muss es trotzdem akzeptieren. In der
Übergangsphase soll die dauerhafte Beziehung zwischen EU und
Großbritannien geklärt werden. Die Frist kann laut Vertrag einmal
verlängert werden.
… für EU-Bürger in Großbritannien und Briten in der EU?
Der Vertrag sichert zu, dass die mehr als drei Millionen
EU-Bürger in Großbritannien und eine Million Briten auf dem Festland
auch nach der Übergangsphase so weiterleben können wie bisher. Das
betrifft unter anderem ihr Recht auf Aufenthalt, Erwerbstätigkeit,
Familiennachzug, auf Ansprüche an die Sozialkassen und auf
Anerkennung beruflicher Qualifikationen. Das Aufenthaltsrecht bleibt
wie gehabt: Wer sich selbst finanzieren kann, darf bis zu fünf Jahre
bleiben und danach ein dauerhaftes Bleiberecht beanspruchen. Die
Rechte erlöschen nicht, wenn man zum Ende der Übergangsphase gerade
nicht am Wohnort ist.
… für Menschen in Irland und Nordirland?
Die Grenze zwischen dem EU-Staat Irland und dem britischen
Nordirland soll offen bleiben, es soll also keine Schlagbäume oder
Kontrollen eingeführt werden. Nach der Vereinbarung vom Donnerstag
sollen dafür in Nordirland EU-Warenstandards weiter gelten.
Zollkontrollen sollen mit eine neuen, komplexen Zollpartnerschaft
vermieden werden.
… für die Steuerzahler?
Großbritannien sagt im Vertrag zu, für finanzielle Pflichten aus
der Zeit seiner EU-Mitgliedschaft einzustehen. Dies betrifft die
Entscheidung von 2013 über den gemeinsamen EU-Haushalt bis Ende 2020:
London zahlt also bis dahin weiter Beiträge. Es geht aber auch um
langfristige Lasten, etwa den britischen Anteil an Pensionszahlungen
für EU-Beamte. Die Summe steht nicht im Vertrag, sondern nur „eine
faire Berechnungsmethode“. Geschätzt geht es um etwa 45 Milliarden
Euro. Käme der Vertrag nicht zustande, müssten EU-Steuerzahler
einspringen.
… für Warenhersteller?
Waren mit einer Produktzulassung dürfen auch nach Ende der
Übergangsphase verkauft werden, ohne dass sie ein besonderes Label
brauchen. Das gilt zum Beispiel für Spielsachen, Kleidung und
Kosmetik, aber auch für Medikamente und Medizinprodukte. Ausgenommen
sind lebende Tiere und Tierprodukte. Markenrechte sollen auf beiden
Seiten unangetastet bleiben.
… für bayerisches Bier?
Wie Parmaschinken, Champagner oder Fetakäse soll auch bayerisches
Bier nach der Übergangsphase in Großbritannien seinen nach EU-Recht
besonderen Status als geschützte Ursprungsbezeichnung behalten. Das
betrifft mehr als 3000 Produkte, die als regionale Besonderheit
vermarktet werden und dafür bestimmte Bedingungen erfüllen müssen.
Walisisches Lamm und andere geschützte britische Produkte behalten
ihren Schutz in der EU.
… für Gauner und Kriminelle?
Wer zum Ende der Übergangsphase per britischem Haftbefehl gesucht
und in der EU geschnappt wird, sollte sich nicht zu sicher fühlen.
Der Austrittsvertrag sorgt vor, dass solche Verdächtige gegenseitig
ausgeliefert werden. (dpa)